Problemstellung
Die geltenden Regeln für Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und Vereine sehen regelmäßig vor, dass die Beschlüsse dieser Körperschaften im Wege von Präsenzversammlungen ihrer Mitglieder gefasst werden. Nachdem in Zeiten der kursierenden Corona-Pandemie ein physisches Zusammentreffen von mehreren Personen so gut wie möglich vermieden werden soll, ist die Durchführung von Präsenzsitzungen derzeit indessen nicht angezeigt.
Dennoch sind Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine zur Aufrechterhaltung ihrer Handlungsfähigkeit (zum Beispiel bei Zustimmungsvorbehalten zu Geschäftsführungsmaßnahmen) aber auch zur Wahrung gesetzlicher Vorgaben (zum Beispiel hinsichtlich der rechtzeitigen Feststellung des Jahresabschlusses) darauf angewiesen, Beschlüsse fassen zu können.
Die derzeit seitens der Bundes- und Landesregierungen beschlossenen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie, insbesondere die Einschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten von Personen, haben daher erhebliche Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit von Unternehmen verschiedener Rechtsformen, da diese teilweise nicht mehr in der Lage sind, auf herkömmlichem Weg Beschlüsse auf Versammlungsebene herbeizuführen, zumal zum gegenwärtigen Zeitpunkt insbesondere nicht absehbar ist, wie lange die Auswirkungen der Covid-19-Krise dauern werden.
Gesetz zur Abschwächung der Folgen der Covid-19-Pandemie
Vor diesem Hintergrund hat der Bundestag am Mittwoch, den 25.03.2020, ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie beschlossen, das die Modalitäten zur Beschlussfassung in Gesellschaften, Genossenschaften und Vereinen vorübergehend erleichtert. Diese stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:
a) Aktiengesellschaft (AG)
Das Gesetz sieht eine Änderung des § 118 AktG vor, wonach der Vorstand einer Aktiengesellschaft auch ohne Ermächtigung in der Satzung über die Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung im Wege elektronischer Kommunikation, die Stimmabgabe im Wege elektronsicher Kommunikation, die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung im Wege der Bild- und Tonübertragung und die Zulassung der Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung beschließen kann.
Zudem kann der Vorstand entscheiden, dass die Versammlung insgesamt ohne physische Präsenz der Aktionäre als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird, zum Beispiel im Wege einer Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung und Teilnahme der Aktionäre per Videozuschaltung. Ferner kann der Vorstand festlegen, dass Fragen der Aktionäre bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind.
Die Einladungsfrist für die Hauptversammlung wird auf 21 Tage reduziert. Schließlich wird der Gesellschaft die Möglichkeit gewährt, die Hauptversammlung innerhalb des gesamten laufenden Geschäftsjahres, anstatt wie zuvor innerhalb von acht Monaten des Geschäftsjahres abzuhalten.
b) Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)
Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sieht das neue Gesetz vor, dass Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschafter abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter in Textform (z.B. per E-Mail) oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen gefasst werden können. Damit wird das Erfordernis der Abhaltung einer physischen Gesellschafterversammlung nach § 48 Abs. 1 GmbHG aufgehoben. Vielmehr können die Gesellschafter von GmbHs künftig alleine durch Teilnahme der Mehrheit der Vertreter des Stammkapitals per schriftlicher Stimmabgabe oder in Textform im Umlaufverfahren Beschlüsse fassen.
c) Genossenschaften und Vereine
Ähnliche Erleichterungen gelten für Genossenschaften und Vereine. Abweichend von § 43 Abs. 7 GenG können nach dem neu beschlossenen Gesetz Beschlüsse der Mitglieder einer Genossenschaft schriftlich oder in elektronischer Form (126a BGB) gefasst werden, selbst wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist.
Hinsichtlich Vereinen sieht der neue Gesetzesentwurf vor, dass der Vorstand den Mitgliedern abweichend von § 32 BGB auch ohne Ermächtigung in der Satzung ermöglichen kann, eine Mitgliederversammlung ohne physische Präsenz am Versammlungsort abzuhalten und ihre Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder ihre Stimmen vor der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.
Nach dem neuen § 32 Abs. 2 BGB können Beschlüsse der Vereinsmitglieder auch ohne Versammlung wirksam gefasst werden, wenn alle Mitglieder die Möglichkeit hatten, daran teilzunehmen, bis zu einem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Inkrafttreten des neuen Gesetzes, Befristung und Fazit
Das neue Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie wurde am Mittwoch, den 25.03.2020, vom Bundestag beschlossen. Es tritt nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Die Änderungen sollen zunächst bis 31.12.2021 befristet gelten.
Die Gesetzesänderungen sind stark zu befürworten. Sie stärken in schwierigen Zeiten die Flexibilität der Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine und halten deren Handlungsfähigkeit aufrecht. Zudem tragen sie dem technischen Fortschritt und auch der voranschreitenden Internationalisierung der Zusammensetzung der Mitglieder, insbesondere bei größeren Aktiengesellschaften, Rechnung. Schließlich befördert die Möglichkeit der Abhaltung virtueller Mitgliederversammlungen gerade in der aktuellen Situation die Teilnahmerechte der Mitglieder.