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Der BGH (Urteil vom 19. Juni 2018 – X ZR 100/16) hat sich erneut mit dem Thema Mischkalkulation und Spekulationspreise beschäftigt und dabei die Kalkulationsspielräume für die Unternehmen weiter eingeschränkt. Öffentliche Auftraggeber können vergaberechtlich gegen Preisspekulation nun leichter vorgehen.
Der BGH hat entschieden, dass eine vergaberechtswidrige Mischkalkulation schon dann vorliegen kann, wenn der Bieter eine einzige Preisposition „erheblich spekulativ aufpreist“. Schon dieser eine Spekulationspreis kann eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht des Bieters gem. § 241 Abs. 2 BGB darstellen, die den Ausschluss seines Angebots rechtfertigt.
In dem ausführlich begründeten Urteil hatte sich der BGH konkret mit einem Fall zu beschäftigen, in dem ein öffentlicher Auftraggeber den Bestbieter wegen einer spekulativ aufgepreisten Position ausgeschlossen hatte und den Zweitbieter beauftragt hatte.
Der BGH hat den Ausschluss im Ergebnis für rechtmäßig erklärt und dem Bieter den Schadensersatzanspruch verweigert. Der BGH betont zunächst die Kalkulationsfreiheit der Bieter und hält auch ausdrücklich fest, dass die Bieter nicht kostendeckende Preise anbieten dürfen. Allerdings verhält sich ein Bieter vergaberechtswidrig, wenn er den Preis für einzelne Positionen in der Erwartung, dass die dafür im LV angesetzten Mengen überschritten werden, drastisch erhöht und den daraus resultierenden höheren Gesamtpreis zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit seines Angebots im Wege einer Mischkalkulation dadurch kompensiert, dass er andere Positionen mehr oder minder deutlich verbilligt. Im Streitfall errechnete sich in einer Grundposition für die Gerüstvorhaltung während der gesamten Bauzeit ein Durchschnittspreis von ca. EUR 5.300,00/Woche, während in der Vorhalteposition für eine etwaige Verlängerung ein Preis von EUR 12.678,00/Woche eingetragen war. Die Gesamtauftragssumme lag bei EUR 320.000,00. Der BGH hat für diese Vorhalteposition, die (aufgepreist) nur 4 % der Gesamtauftragssumme ausmachte, und die gegenüber der Grundposition um 140 % oder das 2,4-fache erhöht war, eine derartige „drastische Aufpreisung“ und daraus resultierend eine Pflichtverletzung des Bieters bejaht, die den Ausschluss seines Angebots rechtfertigte.
Öffentliche Auftraggeber werden in Zukunft die Angebote der Bieter noch genauer überprüfen, und gegebenenfalls auf Basis dieser Rechtsprechung Bestpreisangebote ausschließen (können). Bietern ist auf Basis dieser Entscheidung zu raten, spekulative Aufpreisungen einzelner Positionen zu unterlassen. Die zivilrechtlichen Auswirkungen auf die Vertragsabwicklung (Schadensersatzansprüche des AG im Falle von spekulativ überhöhten Einheitspreisen?) bleiben abzuwarten.