Die EU-Kommission hat am 16.07.2018 einen neuen Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren („Leitfaden“) veröffentlicht, der Orientierungshilfen zur praktischen Abwicklung von Beihilfeverfahren beinhaltet, um deren Wirksamkeit, Transparenz und Vorhersehbarkeit zu verbessern.
Hintergrund
Die EU-Kommission führt seit dem Jahr 2012 eine umfassende Modernisierung des Beihilferechts durch (State Aid Modernisation – „SAM“). Das Ziel besteht hierbei darin, die Beihilfenkontrolle auf diejenigen Fälle zu konzentrieren, welche besonders starke Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben. Gleichzeitig soll die Prüfung von Fällen lokalerer Art mit geringen Auswirkungen auf den Handel vereinfacht werden.
Zur Umsetzung dieser Ziele sind in den letzten Jahren bereits einige Regelungen vereinfacht und gestrafft worden. Wesentliche SAM-Bausteine waren dabei die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung („AGVO“), welche nunmehr 97 % der Beilhilfemaßnahmen erfasst, die Veröffentlichung der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe, in der u.a. erläutert wird, welche öffentlichen Förderungen keine staatlichen Beihilfen darstellen, sowie eine geänderte Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen.
Inhalt
In dem neuen Leitfaden wird nunmehr seitens der EU-Kommission erläutert, wie Beihilfeverfahren durchgeführt werden, welche Maßnahmen die Kommission ergreift, um die Dauer der Verfahren zu verkürzen und ihre Transparenz und Vorhersehbarkeit zu steigern, wie Beschwerden über staatliche Beihilfen behandelt werden und wie die Kommission die praktische Umsetzung staatlicher Beihilfen durch die Mitgliedstaaten überwacht.
Im Einzelnen geht die EU-Kommission insbesondere darauf ein,
- wie der Kontakt zwischen der Kommission und den Behörden der Mitgliedstaaten abläuft und was in der Zeit vor der förmlichen Anmeldung der Beihilfen zu beachten ist;
- wie die Behörden der Mitgliedstaaten Maßnahmen, bei denen eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs unwahrscheinlich ist, durchführen können, ohne sie förmlich bei der Kommission zur Genehmigung anzumelden;
- wie die Bearbeitung von Beihilfesachen dadurch erleichtert wird, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission angeben können, welche Fälle für sie von besonders hoher Priorität sind;
- wie die Kommission über ein Netz nationaler Koordinatoren, das sie für die laufenden Kontakte mit den einzelnen Mitgliedstaaten unterhält, bei Auftreten von Problemen sofort Unterstützung leisten kann;
- wie die Kommission mit den Mitgliedstaaten Vereinbarungen über die Behandlung neuartiger, komplexer oder dringender Fälle trifft, wie etwa Vorhaben im Bereich transeuropäischer Verkehrsnetze (TEN-V), die auf den Bau bzw. die Modernisierung von Verkehrsinfrastruktur abzielen.
- wie die Kommission mithilfe von Instrumenten zur Einholung von Marktauskünften direkt bei den zuständigen Behörden oder Unternehmen sachdienliche Informationen einholen kann;
- wie die Kommission mit den Mitgliedstaaten im Bereich der Bewertung und Überwachung staatlicher Beihilfen zusammenarbeitet und
- wie Beschwerden über staatliche Beihilfen von der Kommission nach der Änderung der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen bearbeitet werden.
Der Leitfaden kann hier abgerufen werden: Leitfaden online abrufen
Fazit
Mit der Veröffentlichung des Leitfadens setzt die EU-Kommission die Modernisierung des Europäischen Beihilferechts konsequent fort. Für Beihilfegeber und Beihilfeempfänger wird die praktische Abwicklung der Beihilfegewährung damit in begrüßenswerter Weise weiter vereinfacht. Die Maßnahmen zur Modernisierung des Beihilferechts dürfen indes nicht dahingehend missverstanden werden, dass (vermeintlich) kleinere und/oder lokale Fälle nunmehr grundsätzlich in Gänze dem Anwendungsbereich des Beihilferechts entzogen wären. Die beteiligten Beihilfegeber und Beihilfeempfänger sind vielmehr für die Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der modernisierten Regelungen, deren Einhaltung und eine entsprechende Dokumentation selbst verantwortlich. Außerdem bestehen erhöhte Transparenzanforderungen und Monitoringpflichten, deren Einhaltung konstitutive Voraussetzung für eine Freistellung von der Notifizierungspflicht etwa unter den Voraussetzungen der AGVO ist, um der EU-Kommission eine stärkere Ex-Post-Kontrolle zu ermöglichen.