In der Vergangenheit wurde immer wieder diskutiert, ob der Auftragnehmer bei einem VOB/B-Bauvertrag seine Vergütung nach § 8 VOB/B oder nach § 2 Abs. 3 VOB/B abrechnen muss, wenn der Auftraggeber eine LV-Position nicht ausführen lässt. Hiermit hat sich kürzlich das OLG München in seinem (Hinweis-) Beschluss v. 02.04.2019 – 28 U 413/19 - befasst.
Sachverhalt
Der AG beauftragte den AN mit der Ausführung von Metallarbeiten an einem Schulgebäude. Zwei Positionen aus dem Leistungsverzeichnis lässt der AG nicht ausführen. Nach Abnahme rechnet der AN für die entfallenen Leistungen entgangenen Gewinn in Anwendung des § 8 VOB/B ab, weil es sich um eine Teilkündigung handeln würde. Der AG hingegen will § 2 Abs. 3 VOB/B für die Mengenminderungen heranziehen.
Entscheidung
Das OLG München gibt dem AN Recht. § 2 VOB/B finde Anwendung, wenn eine sog. Äquivalenzstörung vorliegt (BGH, Urteil v. 26.01.2012 – VII ZR 19/11, in IBR 2012, 188). Das kann der Fall sein, wenn sich die anfängliche Schätzung der Mengenvordersätze als unzutreffend erweist. Das ist bei einem vom AG erstellten LV anders, weil der zu erwartende Aufwand lediglich geschätzt und zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht werde. Wenn aber der Auftraggeber auf eine bestimmte Position verzichte, falle dies nicht unter diesen Regelungsgehalt, da der Verzicht nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose vergleichbar sei. Daher liegt keine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß den Wertungen des § 2 VOB/B vor, wenn der AG Leistungen nicht ausführen lässt. Selbst wenn § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B einschlägig sei, käme eine Anrechnung des Gewinns durch anderweitigen Erwerb nicht In Betracht. Auch kann offenbleiben, ob eine Teilkündigung vorliegt oder nicht. Für die Abrechnung der nicht unter § 2 VOB/B fallenden "Nullpositionen" kommt nur eine Abrechnung nach § 8 VOB/B (bzw. § 648 BGB) in Betracht, sei es direkt oder entsprechend.
Praxishinweis
Nur vordergründig ist die Entscheidung für den AN günstig. Denn in zahlreichen Entscheidungen hat die Rechtsprechung die Anforderungen an die vom AN zu erstellende Abrechnung konkretisiert und fordert unter Offenlegung der Urkalkulation die Aufschlüsselung von ersparten Lohnkosten und Materialaufwendungen.
Entgegen der Entscheidung des OLG München vertreten das OLG Frankfurt in seinem Urteil v. 05.09.2011 (17 U 14/11, in IBR 2013, 665) und das OLG Hamm in seinem Urteil v. 19.06.2012 (21 U 85/11, in IBR 2015, 4) die Auffassung, dass nur § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B anwendbar sei.