EuGH: LKW-Maut ist teilweise zurück zu erstatten

Dr. Marius Mann

Mit Urteil vom 28.10.2020 (EuGH C-321/19) hat der EuGH festgestellt, dass die von der Bundesrepublik Deutschland erhobene LKW-Maut seit ihrer Einführung falsch berechnet wurde und daher zu hoch ist. In der LKW-Maut dürfen lediglich Infrastrukturkosten berücksichtigt und im Rahmen der Mautgebühren erhoben werden.

14.12.2020 | Commercial

Die Wegekostenrichtlinie (Richtlinie 199/62/EG, in der geänderten Fassung der Richtlinie 2006/38/EG) verbietet, so der EuGH in seiner Entscheidung, dass Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in die Mautgebühren Kosten einberechnen, die nicht Infrastrukturkosten im Sinne der Richtlinie sind. Die Bundesrepublik Deutschland hatte auch Kosten für die Verkehrspolizei in die Maut einkalkuliert und als Kosten für den Betrieb des Verkehrswegenetzes über die LKW-Maut mit erhoben. Der EuGH stellte fest, dass dies nicht nur ein unerheblicher Rechnungsfehler sei, da im Durchschnitt ca. 3,8% bis 6% der von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Mautgebühren auf die Kosten der Verkehrspolizei entfielen.

Der EuGH hat darüber hinaus festgestellt, dass sich jedes Unternehmen, das Maut bezahlt hat, vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedsstaat, und damit auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, unmittelbar auf die Vorgaben der Richtlinie, insbesondere Art. 7 Abs. 9 (bzw. Art. 7a Abs. 1 und 2 der Richtlinie) berufen kann. Das bedeutet, dass alle Unternehmen, die LKW-Maut an die Bundesrepublik Deutschland bezahlt haben, die überhöhten Mautzahlungen vom Bundesamt für Güterverkehr zurückfordern können.

Hintergrund der Entscheidung

Hintergrund der Entscheidung des EuGH war ein Vorabentscheidungsersuchen des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG Münster) betreffend die Auslegen von Art. 7 Abs. 9 (Art. 7a Abs. 1 und 2) der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (Weg­ekostenrichtlinie). Zuvor hatte eine in Polen ansässige Spedition vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage auf Rückzahlung von Mautgebühren erhoben.

Der EuGH hat wörtlich festgestellt, dass die „polizeilichen Tätigkeiten in die Verantwortung des Staates [fallen], der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt“. Der EuGH hat weiter festgestellt, dass die Kosten der Verkehrspolizei daher nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne von Art. 7 Abs. 9 der Wegekostenrichtlinie angesehen werden können (EuGH, C-321/19 Rd. 26f.).

Da der EuGH in dem Vorabentscheidungsverfahren feststellte, dass die LKW-Maut von der Bundesrepublik Deutschland falsch berechnet wurde, ist damit zu rechnen, dass das OVG Münster das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln sowie die Bescheide des Bundesamts für Güterverkehr abändert und dieses zur Rückzahlung der zu Unrecht bezahlten Mautbeträge verurteilt bzw. eine entsprechende Verpflichtung des Bundesamts für Güterverkehr ausspricht. Das Urteil des OVG Münster steht indessen noch aus.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des EuGH ist äußerst weitreichend. Es hat Präjudizwirkung für alle Unternehmen, die LKW-Maut auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen bezahlt haben, was insbesondere Logistikunternehmen, Speditionen oder Bauunternehmen betrifft. Diese können zu viel bezahlte Maut zurückfordern. Der Rückerstattungsanspruch ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, der gemäß § 4 Abs. 2 Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) zunächst schriftlich an das Bundesamt für Güterverkehr zu richten ist.

Die konkrete Höhe des Rückerstattungsanspruchs muss im Rahmen der Antragstellung beim Bundesamt für Güterverkehr derzeit nicht angegeben werden. Grund dafür ist, dass die konkrete Berechnung äußerst komplex und teilweise auch noch nicht geklärt ist.

Im Rahmen des Antrags gegenüber dem Bundesamt für Güterverkehr ist auf die EuGH-Entscheidung Bezug zu nehmen. Zudem müssen Antragszeitraum, Firmendaten, Benutzernummer von Toll Collect sowie Kontaktdaten (E-Mail-Adresse des Anspruchstellers) beigefügt werden. Als Beleg genügen zunächst die monatlichen oder jährlichen Mautaufstellungen von Toll Collect, einem EETS Provider (d.h. einem Servicedienstleister Europäischer Elektronischer Mautdienst) oder ggf. einem sonstigen Abrechnungsunternehmen.

Verjährungsproblematik

Soweit die Rückzahlungsansprüche auf das BFStrMG gestützt werden und damit als öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch erhoben werden, droht für Rückerstattungsansprüche aus dem Jahr 2017 gemäß § 21 Abs. 2 Bundesgebührengesetzes (BGebG) mit Ablauf des 31. Dezember 2020 die Verjährung.

Ob der Antrag auf Mautrückerstattung beim Bundesamt für Güterverkehr die Verjährung hemmt, ist bislang durch Gerichte nicht entschieden worden. Allerdings spricht alles dafür, dass der Antrag auf Rückerstattung überbezahlter Maut beim Bundesamt für Güterverkehr die Verjährung hemmt, da der Wortlaut des § 21 Abs. 2 BGebG lediglich eine Geltendmachung verlangt („geltend gemacht wird“). Zudem ist weder aus der verwaltungsgerichtlichen Praxis noch aus dem Gesetz ersichtlich, dass für die Geltendmachung im Sinne von § 21 Abs. 2 BGebG die Erhebung einer Leistungs- oder Feststellungsklage erforderlich ist, wie es beispielsweise § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB für die zivilrechtliche Verjährungshemmung vorsieht.

Ansprechpartner für Fragen rund um die Rückerstattung von LKW-Maut:

RA Dr. Marius Mann

RA Katharina Kendziur