Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27.04.2021 entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Die beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klauseln enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen. Danach werden Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hin.
Die Klauseln unterliegen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Das gelte auch, soweit sie Zahlungsdiensterahmenverträge erfassten, da § 675g BGB keine Sperrwirkung gegenüber §§ 307 ff. BGB entfalte. Das folge aus dem Unionsrecht, dessen Umsetzung § 675g BGB diene und der in diesem Sinne unionsrechtskonform auszulegen sei.
Der Bundesgerichtshof führt aus, die Klauseln seien so auszulegen, dass sie sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Bank mit ihren Kunden erfassen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs halten die Klauseln der eröffneten AGB-Kontrolle nicht stand.
Nr. 1 (2) der AGB-Banken betreffe alle Änderungen "dieser" Geschäftsbedingungen, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zugleich mit Nr. 1 (2) AGB vereinbart würden, und Änderungen (künftiger) "besonderer Bedingungen" für einzelne gesondert vereinbarte Geschäftszweige, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Bank umfassten. Die Regelung betreffe nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung. Damit weiche sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziere. Diese Abweichung benachteilige die Kunden unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders werde vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben sei. Die allgemeine Änderungsklausel biete eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten. Dass "vereinbarte" Änderungen ihrerseits der Ausübungskontrolle unterlägen, gleiche diesen Umstand nicht aus. Für solch weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen könnten, sei vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.
Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor; noch ist nicht klar, ob die Entscheidung nur im Rechtsverkehr mit Verbrauchern oder auch im Verkehr mit Unternehmern gilt. Bereits jetzt ist jedoch absehbar, dass die Entscheidung weitreichende Auswirkungen für die Praxis haben wird, da sie nicht nur eine Änderung der beanstandeten Klauseln für die Zukunft notwendig macht, sondern auch zeitliche Rückwirkung entfaltet. Nach der vorliegenden Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs wird davon auszugehen sein, dass Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Sonderbedingungen gegenüber Verbrauchern, die hierzu nicht ihre Ablehnung angezeigt haben, nicht wirksam geworden sind, mit der Folge, dass die ursprünglich vereinbarten Bedingungen fortgelten. Hierdurch entsteht rechtlicher Handlungsbedarf.