1. Nacherfüllungsfälle
Rügt der Käufer einer neu hergestellten Sache deren Mangelhaftigkeit gegenüber seinem Verkäufer und verlangt Nacherfüllung, so stellt sich nicht selten heraus, dass der Verkäufer die Sache bereits mangelhaft von seinem Lieferanten erhalten hat. In derartigen Lieferketten gewährt § 445a BGB dem Verkäufer einen Regressanspruch gegen seinen Lieferanten hinsichtlich der Aufwendungen, die er im Verhältnis zum Käufer aufgrund der Nacherfüllung zu tragen hatte.
Personalaufwendungen des Verkäufers, die unmittelbar der Mangelbeseitigung dienen (also etwa für die Reparatur), sind Arbeitskosten im Sinne von § 439 Abs. 2 BGB und werden allgemein als erstattungsfähig angesehen.
Schwieriger zu beurteilen, da nicht höchstrichterlich geklärt, ist die Frage nach der Ersatzfähigkeit von Personalaufwendungen im Rahmen von Nacherfüllungsverlangen, die verwaltenden Charakter haben. Hierunter fallen etwa Kosten für Mitarbeiter, die am Telefon Reklamationen entgegennehmen oder Rechnungen anfordern und kontrollieren. Es wird insoweit vertreten, dass diese Personalaufwendungen nicht ersatzfähig seien, da es sich um sog. Sowieso-Kosten handle, also Kosten, die auch ohne die konkrete Nacherfüllung angefallen wären.
Daraus folgt, dass jedenfalls die administrativen Personalaufwendungen ersatzfähig sind, die dadurch entstanden sind, dass Personal extra wegen der konkreten Nacherfüllung eingestellt wurde – soweit diese Neueinstellung erforderlich war.
Aber auch ansonsten wendet sich die überwiegende Meinung in der Literatur gegen das pauschale Argument der Sowieso-Kosten. Personalaufwendungen werden dann als ersatzfähig angesehen, wenn sie sich dem konkreten Nacherfüllungsvorgang zuordnen lassen, also das Personal wegen des konkreten Nacherfüllungsvorgangs nicht anderweitig eingesetzt werden konnte. Erforderlich ist daher stets eine Prüfung am konkreten Einzelfall.
2. Schadensfälle
Fällt Personalaufwand im Rahmen eines Schadensfalles (also etwa einer Sachbeschädigung) an, differenziert die Rechtsprechung hinsichtlich der Ersatzfähigkeit stets zwischen Schadensbeseitigung einerseits und Schadensermittlung sowie außergerichtlicher Schadensabwicklung andererseits.
2.1 Personalaufwand im Rahmen der Schadensbeseitigung
Personalaufwand, der zur unmittelbaren Schadensbeseitigung führt, kann grundsätzlich als Schaden geltend gemacht werden. Das gilt unabhängig davon, ob die Schadensbeseitigung durch Personal des eigenen Betriebes oder durch externe Dritte vorgenommen wird. Maßnahmen der Schadensbeseitigung sind beispielsweise die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.
2.2 Personalaufwand im Rahmen der Schadensermittlung und außergerichtlichen Schadensabwicklung
Personalaufwand für die Schadensermittlung und außergerichtliche Schadensabwicklung kann grundsätzlich nicht als Schaden geltend gemacht werden. Das gilt dabei ebenfalls unabhängig davon, ob die Schadensermittlung und außergerichtliche Schadensabwicklung durch eigene Mitarbeiter erfolgen oder das Unternehmen die Tätigkeiten extern erledigen lässt. Hierunter fällt die mit einem Schadensereignis verbundene allgemeine Verwaltungstätigkeit eines jeden Mitarbeiters, wie beispielsweise die Erstellung einer (Serien-)Schadensmeldung, das Heraussuchen und Sichten von Dokumenten im Zusammenhang mit dem Schadensfall oder das Aufsetzen von Schreiben oder E-Mails sowie das Führen von Telefonaten.
Eine Ersatzfähigkeit kann nach der Rechtsprechung jedoch dann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der im Einzelfall erforderliche Aufwand die „im Rahmen des Üblichen typischerweise zu erbringende Mühewaltung des Geschädigten überschreitet“. Mit anderen Worten, wenn der Personalaufwand im Einzelfall einen ganz außergewöhnlichen Umfang erreicht. Die Rechtsprechung geht davon etwa dann aus, wenn es die Schadensermittlung und/oder außergerichtliche Schadensabwicklung erforderlich machen, einen oder mehrere Mitarbeiter von ihrer üblichen Tätigkeit abzuziehen oder zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. Gleiches dürfte für den Fall notwendiger Überstunden oder der Nachtarbeit von Mitarbeitern gelten.
3. Fallstricke in der Praxis
Bei der (möglichen) Erstattungsfähigkeit von Personalaufwendungen sind in der Praxis folgende Fallstricke zu beachten:
- Fordert der Vertragspartner eigene Personalaufwendungen ein, so ist vom betroffenen Unternehmen vor einer Zahlung umfassend zu prüfen, ob diese Forderungen berechtigt sowie hinreichend dargelegt sind. Andernfalls, etwa bei einer Zahlung aus reiner Kulanz, können diese Zahlungen nicht an einen Drittverantwortlichen weitergereicht werden, und das betroffene Unternehmen bleibt auf diesen Zahlungen sitzen.
- Der BGH hat in einigen Fällen die Ersatzfähigkeit von Kosten bejaht, die als „notwendige Vorstufe der eigentlichen Schadensbeseitigung“ anzusehen seien; diese Kosten hätten jedoch auch unter Schadensermittlung gefasst werden können. Eine Stringenz ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Eine rechtssichere Abgrenzung zwischen nicht ersatzfähiger Schadensermittlung und ersatzfähiger Schadensbeseitigung ist mangels eindeutiger Kriterien daher nicht möglich.
- Von einer vorschnellen Freistellung bzw. Neueinstellung von Mitarbeitern zur Schadensermittlung und außergerichtlichen Schadensabwicklung sollte abgesehen werden. Denn die hierdurch anfallenden Personalaufwendungen sind nur erstattungsfähig, wenn die Freistellung bzw. die Neueinstellung erforderlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Personal im Rahmen der allgemeinen Verwaltungstätigkeit auch zur Schadensermittlung und außergerichtlichen Schadensabwicklung tätig werden muss.
4. Hinweise für zukünftige Fälle
Treten zukünftig Nacherfüllungs- oder Schadensfälle auf, in deren Rahmen die Ersatzfähigkeit von Personalaufwendungen im Raum steht, so ist Folgendes zu beachten:
- Im Rahmen des § 445a BGB bestimmt sich der Wert des Personaleinsatzes nicht durch den Wert der erbrachten Leistung, sondern durch die Kosten des Mitarbeiters für den Verkäufer. Geltend gemacht werden kann daher der Gehaltsbestandteil, der auf die konkrete Nacherfüllungszeit entfällt.
- Für die Schadensbeseitigung hat der Schädiger dem Geschädigten den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag zu erstatten. Der für die Schadensbeseitigung erforderliche Geldbetrag bestimmt sich gemäß der Rechtsprechung im Ausgangspunkt nach objektiven Kriterien, das heißt grundsätzlich losgelöst von den für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Beträgen. Die im Einzelfall angefallenen Personalaufwendungen zur Schadensbeseitigung sind folglich nicht stets vollständig erstattungsfähig.
- Das betroffene Unternehmen ist grundsätzlich gehalten, den wirtschaftlichsten Weg der Mangel- oder Schadensbeseitigung zu wählen – andernfalls droht eine Kürzung des Erstattungsanspruchs. Gibt es daher etwa mehrere zumutbare Möglichkeiten, die zur Beseitigung des Mangels oder Schadens führen, so ist das betroffene Unternehmen grundsätzlich auf die Möglichkeit beschränkt, die den geringeren Aufwand verursacht. Beispielhaft bedeutet dies Folgendes: Wenn dem betroffenen Unternehmen selbst geringere Personalkosten für die Beseitigung des Schadens entstehen würden als einem beauftragten externen Unternehmen und die Schadensbeseitigung dem betroffenen Unternehmen zumutbar wäre, dann wäre es gehalten, den Schaden selbst zu beheben.
- In jedem Fall sollte für jeden Mitarbeiter, der im Rahmen eines Nacherfüllungs- oder Schadensfalles mitwirkt, klar und detailliert dokumentiert werden, an welchen Tagen der jeweilige Mitarbeiter wie lange welche Tätigkeit ausgeführt hat (ggfs. unter Bezugnahme auf seine übliche Arbeit) und welche Personalaufwendungen pro Tätigkeit dadurch entstanden sind. Ohne eine hinreichende Dokumentation, welche die geltend gemachten Personalaufwendungen nachweisbar macht, scheidet eine Erstattung im Streitfall mangels Nachweisbarkeit auch dann aus, wenn die Aufwendungen grundsätzlich erstattungsfähig wären.
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