Die neue urheberrechtliche Auskunftspflicht nach § 32d Urhebergesetz

Isabelle Hohl

Auskunftsansprüche spielen seit jeher im IP-Recht eine wichtige Rolle. Zur Stärkung der Urheber wurde die Berechtigung des Urhebers, Auskunft zu verlangen, in eine Verpflichtung gewandelt. Vertragspartner von Urhebern müssen nun jährlich, erstmals zum 7. Juni 2023, unaufgefordert und vollständig Auskunft über den Umfang der Werknutzung erteilen.

13.04.2023 | IP-Recht

1. Aus Auskunftsberechtigung wird Auskunftsverpflichtung

Nach bisheriger Rechtslage konnten Urheber von ihren Vertragspartnern Auskunft über den Nutzungsumfang ihres Werkes verlangen, um damit weitergehende Vergütungsansprüche geltend zu machen. Diesen Anspruch benötigt der Urheber unabhängig von einer vereinbarten vertraglichen Vergütung, weil § 32a UrhG vorsieht, dass der Urheber über die vertragliche Vergütung hinaus eine Bezahlung verlangen kann, wenn sich die vereinbarte Vergütung als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist.

Die Normen waren entsprechend auf ausübende Künstler anwendbar. Aufgrund der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/790 (DSM-Richtlinie) wurde dieser Anspruch des Urhebers in eine Verpflichtung des Vertragspartners gewandelt. Infolge der Änderung des § 32d Urhebergesetz (UrhG) vom 7. Juni 2021 müssen diese Auskünfte nun erteilt werden, ohne dass es eines Verlangens des Urhebers (bzw. des ausübenden Künstlers) bedarf.

Hintergrund des Wechsels von Auskunftsrecht hin zu einer Auskunftsverpflichtung ist die Annahme, der Urheber habe bei Lizenzverhandlungen regelmäßig die schwächere Verhandlungsposition und scheue häufig die (gerichtliche) Geltendmachung seiner Rechte. Zudem benötige er fortlaufend Informationen, um bewerten zu können, wie sich der wirtschaftliche Wert der Rechte im Vergleich zur vereinbarten Vergütung entwickelt.

Der Verpflichtung des Vertragspartners zur Auskunftserteilung muss erstmals und zugleich frühestens am 7. Juni 2023 nachgekommen werden. § 133 Abs. 3 UrhG sieht eine einjährige Übergangszeit vor, wonach die bereits seit 2021 gesetzlich verankerte Verpflichtung zur jährlichen Auskunftserteilung erst ab dem 7. Juni 2022 gilt. Dem Wortlaut der Norm nach scheint dies zwar nur für Verträge zu gelten, die vor dem 7. Juni 2021 geschlossen wurden. Aus der Gesetzesbegründung und der EU-Richtlinie 2019/790 (DSM-Richtlinie) ergibt sich indes, dass die Übergangsregelung für sämtliche Lizenzverträge, unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses gelten soll (BT-Drs. 19/27426, S. 117). Demnach ist nunmehr erstmals bis zum 7. Juni 2023 proaktiv Auskunft zu erteilen. Für Verträge, die nach dem 7. Juni 2022 geschlossen wurden, gilt selbstverständlich die individuell berechnete Jahresfrist.

2. Verpflichtete Vertragspartner

Die Verpflichtung nach § 32d UrhG besteht für solche Vertragspartner, die direkt mit Urhebern entgeltliche (Lizenz-)Verträge geschlossen haben. Unterlizenznehmer der Vertragspartner sind zunächst erst einmal nicht zu einer direkten Auskunft gegenüber dem Urheber verpflichtet. Ein solcher direkter Anspruch kann sich aber aus § 32e UrhG ergeben (dazu unter 3.).

Hat beispielsweise ein Kunde eine Design-Agentur mit der Entwicklung eines neuen Logos beauftragt, die wiederum einen Freelancer einschaltet, muss die Design-Agentur den Freelancer (als Urheber) jährlich auch über die Nutzung durch den Kunden (als Unterlizenznehmer) informieren. Zudem kann der Freelancer auf Verlangen von der Agentur die Nennung des Namens und der Anschrift des Kunden verlangen.

Eine Ausnahme von dem Anspruch gibt es für Entwickler von Computerprogrammen, bei lediglich nachrangigen Beiträgen zu einem Werk oder bei einer Unverhältnismäßigkeit der Auskunftserteilung. Hier besteht keine Verpflichtung des Vertragspartners, Auskünfte über die Nutzung zu erteilen.

Der Hauptanwendungsfall des neuen § 32d UrhG liegt damit im Bereich der Nutzung von Videos, Fotos, Musik, Logos, Grafiken und Texten, die durch Freiberufler geschaffen wurden.

Die Auskunftspflicht ist selbst individualvertraglich nicht einschränkbar. Eine vertragliche Beschränkung kommt nur über gemeinsame Vergütungsregeln zwischen Vereinigungen von Urhebern und Vereinigungen von Werknutzern (§ 36 UrhG) oder tarifvertragliche Regelungen in Betracht, da in diesen beiden Fällen vermutet wird, dass ein vergleichbares Maß an Transparenz gewährleistet wird.

3. Auskunftsanspruch gegenüber Dritten, § 32e UrhG

Nachrangig besteht auch ein Auskunftsanspruch gegenüber weiteren Nutzern in der Lizenzkette, also im obigen Beispiel auch ein Anspruch des Freelancers gegenüber dem Kunden. Nachrangig ist der Auskunftsanspruch insoweit, als dass er erst geltend gemacht werden kann, wenn der direkte Vertragspartner seiner Verpflichtung nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit oder nicht hinreichend nachkommt.

4. Umfang der Auskunftserteilung

Der Vertragspartner und/oder Dritte müssen „über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile“ informieren. Die Informationsgrundlage bilden solche Daten, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind. Das bedeutet, dass keine besonderen oder weitergehenden Controlling-Mechanismen implementiert werden müssen, die über den Branchenstandard hinausgehen, um dadurch erst dem Urheber vollständig Auskunft erteilen zu können. Dennoch ging der Gesetzgeber bei Bewertung des Erfüllungsaufwands der Gesetzesänderung davon aus, dass Unternehmen ihren Geschäftsprozess und etwaige Software anpassen, um der Verpflichtung nachkommen zu können.

 

Zu informieren ist grundsätzlich in Textform (z.B. per Brief oder E-Mail), in einer übersichtlichen und verständlichen Weise, über den räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Nutzungsumfang. Die Arten der Nutzungen (wie: Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung, öffentliche Zugänglichmachung) sind mitzuteilen sowie der Umfang (Dauer, Häufigkeit). Zum Umfang gehören damit beispielsweise Angaben zur Anzahl verkaufter Exemplare, Downloads, eingeräumter Nutzungsrechte oder zur Häufigkeit der Ausstrahlung von Sendungen sowie die Mitteilung, ob und welche Nutzungsrechte übertragen wurden.

Erträge sind die mit der Nutzung des Werkes erzielten Einnahmen. Vorteile können beispielsweise im Erhalt von Fördergeldern, dem Abschluss von Sponsoringverträgen und Werbeeinnahmen bestehen.

Der Vertragspartner hat zudem über den Umfang der Nutzung durch etwaige (unmittelbare) Unterlizenznehmer zu informieren und sollte sich daher entsprechende Auskunftsansprüche gegenüber dem Unterlizenznehmer vertraglich sichern. Diese Verpflichtung ergibt sich bereits daraus, dass der Vertragspartner über Erträge und Vorteile, die er aus der Nutzung zieht, informieren muss. Wenn die entsprechenden Informationen dem Vertragspartner nicht im ausreichenden Umfang vorliegen, kann der Urheber von seinem Vertragspartner Auskunft über die Namen und Anschriften der Unterlizenznehmer und Erwerber von Nutzungsrechten verlangen, um sich sodann unter den Voraussetzungen des § 32e UrhG an diese Dritten zu wenden (vgl. dazu unter 3.).

Der erste Bericht darf sich nicht nur auf den Nutzungsumfang des letzten Jahres beschränken, sondern muss, soweit möglich und zumutbar, auch weiter zurückreichen (so Stang, in: Wandtke/Bullinger, 6. Aufl. 2022, UrhG § 32d Rn. 29). Wie weit in die Vergangenheit zu gehen ist, dürfte ebenfalls von der Branchenüblichkeit und den tatsächlich vorliegenden Informationen über die Werknutzung abhängen. Für Folgeberichte ist die Auskunft auf den Zeitraum seit dem letzten Bericht beschränkt. Wurde die Nutzung des Werkes vollständig und dauerhaft eingestellt, so dass es sich lediglich um eine Negativauskunft handeln würde, entfällt die Auskunftsverpflichtung nach § 32d UrhG.

5. Auskunftserteilung im Beschäftigungsverhältnis

Im Arbeitsverhältnis ist bisher ungeklärt, wie sich der Wandel von Auskunftsrecht zu Auskunftspflicht auswirkt. Üblicherweise ist die Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten an Werken des Arbeitnehmers durch die Zahlung der vereinbarten Vergütung abgegolten, soweit die Schaffung von Werken zu seinen Vertragspflichten gehört. Dies wird damit begründet, dass der Arbeitgeber das Risiko trägt, ob ein Werk geschaffen wird und ob es verwertbar ist. Dennoch finden unter anderem die Regelungen zur Auskunft (§§ 32d, 32e UrhG) und zur Anpassung des Vertrags im Falle der Unangemessenheit der Vergütung (§ 32 UrhG) nach § 43 UrhG auch im Rahmen von Arbeits- und Dienstverhältnissen grundsätzlich Anwendung.

Gleichwohl wird eine jährliche anlasslose Auskunftserteilung gegenüber jedem Beschäftigten häufig nicht erforderlich sein. Zum einen verlangt § 32d UrhG nur, dass die Auskunft auf Grundlage der Informationen zu erfolgen hat, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs üblicherweise vorhanden sind. Der Arbeitgeber wird im Regelfall nicht dokumentieren, welcher Arbeitnehmer welche urheberrechtlich geschützten Werke geschaffen hat, wie diese im Unternehmen genutzt werden und inwieweit an Dritte Nutzungsrechte eingeräumt oder übertragen werden. Zum anderen sind die Vorschriften nur dann anwendbar, wenn sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt (§ 43 UrhG). Etwas anderes in diesem Sinne könnte sich aus der üblicherweise vereinbarten Pauschalabgeltung durch die Zahlung des Lohns/Gehalts ergeben.

So lange die Rechtsprechung die Frage der Auskunftspflicht gegenüber Arbeitnehmern nicht geklärt hat, sollten Arbeitgeber sich zumindest darauf vorbereiten, die Ansprüche erteilen zu können. Dabei dürfte es einen Auskunftsanspruch bei intern verwerteten Werken eher nicht geben. Wahrscheinlicher sind Ansprüche bei einem „Verkauf“ der von Arbeitnehmern geschaffenen Werke an Kunden des Arbeitgebers. Aber auch hier kann es ratsam sein, erst einmal auf eine aktive Erteilung der Auskunft zu verzichten, die eher Begehrlichkeiten wecken dürfte. Sollte ein Auskunftsverlangen eines Arbeitnehmers eingehen, kann eine individuelle Prüfung erfolgen. Sollte eine aktive Auskunftspflicht dann bestanden haben, drohen zwar auch Unterlassungsansprüche von Urhebervereinigungen (dazu unter 6.). Das Risiko dürfte hier im Bereich der Arbeitnehmer aber überschaubar sein.

6. Folgen

Kommen Vertragspartner ihrer Auskunftspflicht nicht nach, können Urheber und ausübende Künstler die Auskunftspflicht und Rechenschaftspflicht individuell durchsetzen. Die Rechenschaftspflicht geht über die Auskunftspflicht hinaus und verlangt eine geordnete Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben und Vorlage der entsprechenden Belege.

Daneben können Urhebervereinigungen Unterlassungsansprüche geltend machen, sofern zumindest in mehreren gleichen oder vergleichbaren Fällen durch den Vertragspartner Auskünfte nicht erteilt wurden (§ 36d UrhG). Unterlassung kann hinsichtlich sämtlicher Nutzungen verlangt werden, für die er die Auskunft hätte erteilen müssen. Die Unterlassungspflicht gilt so lange, bis die Auskunft erteilt und die künftige Auskunftserteilung sichergestellt ist.

7. Ausblick

Vertragspartner von Urhebern und ausübenden Künstlern sollten die verbleibende Zeit bis zum 7. Juni 2023 nutzen, um sich einen Überblick über den Umfang der Werknutzungen zu verschaffen, die Informationen zusammenzutragen und die Systeme, sofern erforderlich, auf die neuen Pflichten anzupassen.

Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die neu geschaffenen umfangreichen Pflichten, und damit auch der erhöhte (finanzielle) Aufwand, bei der Vergütung bemerkbar machen wird. Zudem wird zu beobachten sein, ob Vertragspartner zur Umgehung der direkten Auskunftspflicht in Zukunft versuchen werden, statt mit Urhebern direkt, Verträge mit zwischengeschalteten Unternehmen zu schließen.