Schriftformverstoß bei treuwidriger HOAI-Mindestsatzabrechnung (BGH, Urteil vom 03.08.2023 – VII ZR 102/22)

Katrin Reißenweber

Auch wenn die Honorarabrechnung eines Architekten auf Basis der Mindestsätze der HOAI nach den strengen Kriterien der BGH-Rechtsprechung ausnahmsweise treuwidrig wäre, kann sie dennoch insgesamt wirksam sein, wenn eine Pauschalpreisvereinbarung nicht schriftlich bei Auftragserteilung geschlossen wurde. Bei der Frage, ob die Berufung auf den Schriftformverstoß gegen Treu und Glauben verstößt, gelten eigene Maßstäbe.

Sachverhalt

Eine Architektin wurde beauftragt, Planungsleistungen für eine Flutbrücke zu erbringen und unterbreitete hierfür ein schriftliches Honorarangebot in Höhe von 170.000 Euro. Der Auftraggeber übersandte daraufhin einen Vertrag, der ein pauschales Honorar in Höhe von 161.713,27 Euro beinhaltet. Der Vertrag wurde nicht unterschrieben. Die Architektin erbrachte dennoch die Leistungen und stellte insgesamt sechs Abschlagsrechnungen, die auf „bestehende Vereinbarungen" Bezug nahmen und seitens der Auftraggeberin bezahlt wurden. Nachdem die Auftraggeberin allerdings die auf Basis eines Honorars von 170.000,00 Euro gestellte Schlussrechnung nicht bezahlen wollte, berechnete die Architektin nun das Honorar auf Basis der Mindestsätze der HOAI und stellte weitere 114.285,75 Euro in Rechnung.

Entscheidung des BGH

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass hier ausnahmsweise die strengen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an ein treuwidriges Verlangen der Mindestsätze stellt, gegeben sind. Auch die Berufung auf die Formunwirksamkeit verstoße gegen Treu und Glauben, da dies unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls zu einem unerträglichen Ergebnis führen würde.

Der BGH sieht dies anders. Auf die Frage, ob die Abrechnung auf Basis der Mindestsätze ausnahmsweise treuwidrig ist, kommt es seiner Meinung nach aufgrund des Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 7 Abs. 1 HOAI 2009 bzw. 2013 nicht an.

Insoweit würden bei der Beurteilung des Formverstoßes andere Kriterien als bei derjenigen der Treuwidrigkeit der vereinbarten Mindestsatzunterschreitung gelten. Nur ausnahmsweise, wenn dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, könne es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs komme insbesondere dann in Betracht, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht habe oder wenn als Folge der Formwidrigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, habe das Berufungsgericht nicht hinreichend festgestellt. Insoweit wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Übertragbarkeit auf HOAI 2021

Die Entscheidung ist zu den HOAI-Fassungen der Jahre 2019 und 2013 ergangen, aber auch auf der HOAI 2021 unterliegende Fälle grundsätzlich übertragbar. Abweichend von den früheren HOAI-Fassungen ist hier anstelle des Schriftformerfordernisses in § 7 Abs. 1 HOAI 2021 allerdings nur noch die Textform vorgeschrieben. Insoweit kann eine Honorarvereinbarung nunmehr z.B. auch per E-Mail zustande kommen.