Der Auftraggeber hat kein Zurückbehaltungs-/ Leistungsverweigerungsrecht, wenn sein Planer zu 60% und der Ausführende zu 5% mangelverantwortlich sind.
In einer aktuellen Entscheidung hat sich das OLG München, Urteil vom 17.07.2012 - 13 U 658/11 Bau, NJW-Spezial 2012, 524 mit zwei in Mängelhaftungsfällen mit mehreren Mangelverantwortlichen in der Praxis recht häufig vorkommenden Rechtsfragen befasst, die sich aus Unternehmersicht im Vergütungsrechtsstreit immer dann stellen, wenn sich der AG dagegen mit einem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB und / oder einem Leistungsverweigerungsrecht gem. §§ 320, 641 Abs. 3 BGB wegen Mängeln verteidigt.
Inhaltlich ging es um den mangelhaften „Anschluss des unteren Ende der Wärmedämmung und Befestigung der unteren Abschlussschiene“, der vom bauseitigen Architekten geplant, vom bauseitigen Bauleiter objektüberwacht und von mehreren ausführenden Bauunternehmen hergestellt worden ist. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass die nur das WDVS ausführende Klägerin zu 5% mangelverantwortlich sei, der bauseitige Architekt zu 60% und vermutlich der bauseitige Objektüberwacher sowie die übrigen Ausführenden zu 35%. Dieser Bewertung schloss sich das OLG an und verglich dann den dem AG zurechenbaren Anteil für mitwirkendes Planungsverschulden seines Architekten von 60% mit den von der Klägern zu verantwortenden 5%. Dazu heißt es in der maßgeblichen Passage des Urteils:
„Setzt man nun den Mitverantwortungsanteil des planenden Architekten (60%) mit dem Mitverantwortungsanteil der Klägerin (5%) ins Verhältnis, so tritt nach Überzeugung des Senats der Mitverantwortungsanteil der Klägerin bei wertender Betrachtung und Berücksichtigung aller Umstände völlig zurück. Ein Leistungsverweigerungsrecht oder Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich dieses Mangels stand dem Beklagten damit von Anfang an nicht zu.“
Außerdem heißt es in dem Urteil in Bezug auf die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts der AG in Höhe der 2-fachen Mangelbeseitigungskosten weiter:
„Hinzu kommt, dass nunmehr klargestellt wurde, dass jedenfalls die Klägerin den Mangel nicht mehr beseitigen will. Ein etwaiges Leistungsverweigerungsrecht ist damit entfallen.“
Dies legt die Vermutung nahe, dass der AG nach Ansicht des OLG München fällige Zahlungsansprüche des AN nur noch in Höhe der einfachen Mangelbeseitigungskosten einbehalten kann, nachdem der AN die Mangelbeseitigung endgültig und ernsthaft verweigert hat. Ob der Unternehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, muss im Einzelfall jedoch gründlich abgewogen werden, da er mit solchen Erklärungen sein Recht zur eigenen Mangelbeseitigung verwirkt und sich damit nicht nur der Haftung für die i. d. R. höheren Mangelbeseitigungskosten eines Dritten und den Nebenkosten für die Planung unterwirft, sondern auch der Haftung für den Erfolg der Mangelbeseitigung mittels Selbstvornahme.