Ohne Vertrag kein Schadensersatz des öffentlichen Auftraggebers

Dr. Hubert Bauriedl

Wie bei Gericht aus einer außerordentlichen Auftraggeberkündigung und einer Schadensersatzforderung in Höhe der Mehrkosten des Zweitplatzierten ein nicht einmal wirksam zustande gekommener Bauvertrag wird…

Mit einer vermutlich für beide Parteien überraschenden Begründung aus der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre hat das OLG Saarbrücken in seinem aktuellen Urteil vom 30.11.2011 - 1 U 272/10 - 74 die Schadensersatzforderung eines öffentlichen Auftraggebers gegen den gekündigten Auftragnehmer zurückgewiesen. Dabei ging es um öffentlich ausgeschriebene Gehölzschnittarbeiten auf einer Bundesautobahn, für die der erstplatzierte Auftragnehmer nach Durchführung eines Aufklärungsgespräches und weiterer Korrespondenz zum seiner Ansicht nach eingeschränkten Inhalt des Angebots den Zuschlag erhalten hatte.

Weil sich die Parteien nicht (mehr) einig waren, ob auch die Verkehrssicherung am inneren Fahrstreifen zum Angebots-/ Leistungsumfang gehörte und der Auftragnehmer den Beginn der Arbeiten von der Verhandlung und Erledigung des entsprechenden Nachtrags abhängig gemacht hatte, kündigte der Auftraggeber aus wichtigem Grund und beauftragte den Zweitplatzierten. Die Differenz des  Erst- zum Zweitplatzierten versuchte er dann als Schadensersatz gemäß §§ 7 Nr. 1, Nr. 4 Abs.1 VOL/B, §§ 280, 281, 249 ff. BGB gegen den gekündigten Unternehmer zu erstreiten, jedoch ohne Erfolg.

Aus den im Tatbestand des Urteils widergegebenen Argumenten der Parteien lässt sich entnehmen, dass beide Parteien offenbar von einem wirksamen Vertragsabschluss ausgingen.

Anders das OLG Saarbrücken: Selbst wenn man die Leistungsbeschreibung im Sinne des öffentlichen Auftraggebers auslegen wollte, könne vom Zustandekommen eines Auftrages, der die Verkehrssicherung auch der linken Fahrbahn der Bundesautobahn umfasste, nicht ausgegangen werden. Zwar korrespondiere das vom Auftragnehmer eingereichte Angebot in äußerer Hinsicht scheinbar mit den Verdingungsunterlagen. In inhaltlicher Hinsicht habe das Angebot indes nicht (mehr) der Leistungsbeschreibung entsprochen. Denn dieses sei „nach dem erklärten Willen des Auftragnehmers – von Anfang an – nicht darauf ausgerichtet“ gewesen, eine Absicherung der jeweils linken Spur der Bundesautobahn mit anzubieten. Auch die Ausführungen des Auftragnehmers im Bietergespräch sowie in einer anschließenden E-Mail erläuterten und präzisierten den Inhalt des Angebots aus Auftragnehmersicht und hätten unmissverständlich erkennen lassen, wie er das Angebot verstanden haben wollte. Hieran konnte auch aus Auftraggebersicht kein ernsthafter Zweifel bestehen, so dass durch die Zuschlagserteilung kein wirksamer Vertrag zwischen dem Bieter und der Vergabestelle zustande kam, weil Angebotsinhalt und Annahmeerklärung inhaltlich nicht übereinstimmen.

Da der Auftraggeber jedoch das eingeschränkte Angebot des Auftragnehmers ersichtlich nicht annehmen wollte, sei kein Vertrag zu dem geringeren Leistungsumfang zustande gekommen. Vielmehr gelte der vom Auftraggeber erteilte uneingeschränkte Zuschlag als Ablehnung des eingeschränkten Angebotes des Auftragnehmers und zugleich als neues Angebot, welches der Auftragnehmer aber ersichtlich nicht mehr angenommen habe.

Also kam im Ergebnis kein wirksamer Vertrag zustande, aus dem der Auftragnehmer zur Ausführung der Arbeiten hätte verpflichtet sein können, so dass es an einer zum Schadensersatz wegen Verzugs oder Nichterfüllung des Auftrages verpflichtenden Pflichtverletzung fehle.