VOB/B: Insolvenzbedingte Kündigung zulässig

Dr. Michael T. Stoll

Neues Urteil des BGH: Dem Auftraggeber eines VOB/B-Bauvertrages steht bei Insolvenz des Auftragnehmers ein Sonderkündigungsrecht (§ 8 Abs. 2 VOB/B (2009)) zu.

Neues Urteil des BGH

In seinem Urteil vom 7. April 2016 (Aktenzeichen VII. ZR 56/15) hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit der Frage zu befassen, ob das in der VOB/B (Fassung 2009) in § 8 Abs. 2 Nr. 2 enthaltene Sonderkündigungsrecht wirksam ist, oder ob es wegen Verstoßes gegen die insolvenzrechtlichen oder die agb-rechtlichen Vorschriften unwirksam ist.

Zum Hintergrund

Bei der VOB/B handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese werden daher nur dann Bestandteil des Bauvertrages, wenn deren Anwendung von den Parteien vorgegeben wird.

In § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B ist ein Sonderkündigungsrecht für den Auftraggeber enthalten, nach dem der Auftraggeber der Bauvertrag außerordentlich kündigen kann, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder zulässiger Weise vom Auftraggeber oder von einem anderen Gläubiger das Insolvenzverfahren beantragt, ein solches Verfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B steht dem Auftragnehmer in einem solchen Fall nur eine Vergütung für die ausgeführten Leistungen zu. Im Übrigen kann der Auftraggeber Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen.

Unter den Juristen war hierbei umstritten, ob diese Regelung in der VOB/B nicht zwingenden Vorschriften des Insolvenzrechtes, insbesondere dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters, ob er einen Vertrag erfüllen möchte oder nicht, widerspricht und daher unwirksam ist. Dies hätte für den Auftraggeber gravierende Nachteile gehabt: Meist ist festzustellen, dass die Leistungserbringung im Vorfeld der Insolvenzantragstellung schleppend verläuft. Zwar sieht die VOB/B auch für diesen Fall ein Sonderkündigungsrecht vor. Allerdings führt eine Kündigung wegen verzögerter Leistungserbringung oft zu einem Rechtsstreit, da der Auftragnehmer einwenden wir, in der Leistungserbringung durch nicht in seiner Risikosphäre liegende Umstände behindert zu sein. Kann der Auftraggeber dann den Kündigungsgrund nicht beweisen, so wird die Kündigung als freie Kündigung angesehen, mit der Folge, dass der Auftragnehmer für die nicht erbrachten Leistungen Vergütungen verlangen kann und der Auftraggeber keinen Anspruch auf Ersatz seines Schadens sowie der Mehrkosten der Drittfertigstellung hat.

Die Entscheidung

Der BGH ist in seinem Urteil zu dem Ergebnis gekommen, dass das Sonderkündigungsrecht in § 8 Abs. 2 VOB/B (Fassung 2009) weder insolvenzrechtlichen noch agb-rechtlichen Vorschriften widerspricht.

Als Argument hat der BGH ausgeführt, dass das bürgerliche Gesetz in § 649 BGB für den Auftraggeber ein jederzeitiges Kündigungsrecht vorsieht. Dieses ist also einem Bauvertrag immanent. Wenn jedoch der Auftraggeber nach dem Gesetz jederzeit, also auch bei Insolvenz, einen Bauvertrag frei kündigen kann, so können die insolvenzrechtlichen Regelungen einem vereinbarten Kündigungsrecht nicht entgegenstehen, da der Insolvenzverwalter ohnehin immer mit einer Kündigung rechnen muss. Auch geht die Kündigungsmöglichkeit nicht weiter als das gesetzliche Kündigungsrecht.

Getrennt hiervon hat der BGH allerdings die Rechtsfolgenregelung in § 8 Abs. Nr. 2 VOB/B, nämlich dass der Auftragnehmer nur für die erbrachten Leistungen Vergütung erhält und im Übrigen zum Schadensersatz verpflichtet ist, beurteilt. Hier hat der Auftraggeber die wechselseitigen Grundrechte auf Eigentum sowie das Interesse der Insolvenzgläubiger an einer möglichen Vertragsfortführung gegeneinander abgewogen. Der BGH ist zu dem Ergebnis gekommen, der Auftraggeber zumindest im Fall des Eigeninsolvenzantrages des Auftragnehmers ein das Interesse der Gläubiger überwiegendes Interesse an der Beendigung des Vertrages und der Geltendmachung von Schadensersatz hat, insbesondere da der Auftragnehmer das in ihn gesetzte Vertrauen auf vertragsgemäße Herstellung des Bauwerkes durch den Eigeninsolvenzantrag zunichte gemacht hat.

Praxishinweis:

Die Ausführungen des BGH beziehen sich nur auf den Eigeninsolvenzantrag des Auftragnehmers. Stellt der Auftraggeber oder ein Dritter zulässiger Weise den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers, so kann der Auftraggeber zwar wirksam den Vertrag beenden. Ob der Auftraggeber dann jedoch ebenfalls Schadensersatz verlangen kann, hat der BGH noch nicht entschieden. Es empfiehlt sich daher, die Kündigung möglichst auf mehrere Kündigungsgründe zu stützen.