Covid-19-Arbeitszeitverordnung - Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz

Da das Arbeitszeitgesetz den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht werden kann, hat der Gesetzgeber gehandelt und im Rahmen eines sogenannten „Sozialschutzpakets“ die COVID-19-Arbeitszeitverordnung erlassen.

08.05.2020 | Arbeitsrecht

Während eine Rekordzahl von Unternehmen in der anhaltenden Corona-Krise gezwungen sind Kurzarbeit anzumelden und ihre Mitarbeiter teilweise oder ganz („Kurzarbeit Null“) in Kurzarbeit zu schicken, hat die Arbeitsbelastung in zahlreichen Bereichen ganz erheblich zugenommen. Ein entscheidender Mehrbedarf ist beispielsweise bei der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneimitteln, Medizinprodukten oder im Lebensmitteleinzelhandel zu verzeichnen. Zusätzlich können ein erhöhter Kranken- und Quarantänestand oder Fehlzeiten wegen der Verpflichtung zur Kinderbetreuung auf Grund der Schließung von Schulen, Horten, Kindergärten und Kinderkrippen zu einer Mehrbelastung der verbleibenden Mitarbeiter führen.

Abweichungen von den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes sind erforderlich

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) diesen besonderen Herausforderungen nicht gerecht wird. Im Rahmen des sogenannten „Sozialschutzpakets“ zur Abmilderung von Härten durch die Corona-Krise wurde § 14 Abs. 4 ArbZG eingeführt, um bundeseinheitliche Ausnahmen von den Arbeitszeitvorschriften zu ermöglichen. Auf dieser Grundlage wurde die COVID-19-Arbeitszeitverordnung (COVID-19-ArbZV) erlassen.

Welche Abweichungen sind zulässig?

Die COVID-19-ArbZB erlaubt in bestimmten Brachen und Wirtschaftszweigen – befristet bis zum 30. Juni 2020 – Abweichungen von den strengen Vorgaben des ArbZG. Sämtliche Abweichungen sind nur zulässig, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig ist.

Verlängerung der werktäglichen Höchstarbeitszeit ( § 1 Covid-19-ArbZV)

  • Die tägliche Arbeitszeit kann abweichend von § 3 Satz 1 ArbZG von höchstens 8 Stunden auf bis zu 12 Stunden verlängert werden.
  • Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch „vorausschauende organisatorische Maßnahmen“, einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.
  • innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich der werktäglichen Arbeitszeit auf acht Stunden (48 Stunden wöchentlich) erfolgen muss;
  • Die wöchentliche Arbeitszeit ist auf 60 Stunden begrenzt. Sie kann in dringenden Ausnahmefällen über 60 Stunden hinaus verlängert werden (§ 1 Abs. 3 Covid-19-ArbZV).

Verkürzung der täglichen Ruhezeit (§ 2 Covid-19-ArbZV)

  • Die tägliche Ruhezeit kann um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf.
  • jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb von vier Wochen – nach Möglichkeit durch freie Tage – auszugleichen ist.

Arbeit an Sonn- und Feiertagen (§ 3 Covid-19-ArbZV)

  • Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten, wenn die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können.
  • Für Sonntagsbeschäftigung müssen innerhalb von acht Wochen Ersatzruhetage gewährt werden, und zwar bis spätestens zum 31. Juli 2020.

Für welche Tätigkeiten gelten die Ausnahmen?

Die Ausnahmemöglichkeiten der Verordnung gelten nur für bestimmte in der Verordnung festgelegte Tätigkeiten. Dies sind Tätigkeiten

  1. beim Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Liefern an Unternehmer, Be- und Entladen und Einräumen von
  • Waren des täglichen Bedarfs (a),
  • Arzneimitteln, Medizinprodukten und weiteren apothekenüblichen Waren sowie Hilfsmitteln (b),
  • Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der COVID-19- Epidemie eingesetzt werden (c),
  • Stoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien, die zur Herstellung und zum Transport der in den Buchstaben a) bis c) genannten Waren, Mittel und Produkte erforderlich sind (d),
  1. bei der medizinischen Behandlung sowie bei der Pflege, Betreuung und Versorgung von Personen einschließlich Assistenz- und Hilfstätigkeiten,
  2. bei Not- und Rettungsdiensten, der Feuerwehr sowie beim Zivilschutz,
  3. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden,
  4. in den Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und Abwasserentsorgungsbetrieben,
  5. in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren,
  6. zur Sicherstellung von Geld- und Werttransporten sowie bei der Bewachung von Betriebsanlagen,
  7. zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,
  8. in Apotheken und Sanitätshäusern im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten und bei erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie bei Abhol- und Lieferdiensten von Apotheken und Sanitätshäusern.

Praxistipp:

  • Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hebt ausdrücklich hervor, dass der Arbeitgeber bei Inanspruchnahme der Abweichungen im besonderen Maße der ihm obliegenden Fürsorgepflicht nachkommen muss.
  • Sofern die sorgfältige Prüfung ergibt, dass die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, müssen Arbeitgeber beachten, dass die COVID-19-ArbZV sonstige gesetzliche Vorgaben zum Arbeitsschutz nicht berührt – es sind somit zum Beispiel die Vorgaben des Mutterschutz- oder Jugendarbeitsschutzgesetzes zu berücksichtigen.
  • Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Lage und der Dauer der Arbeitszeit sowie deren Verlängerung (§ 87 Absatz 1 Nr. 2 und 3 BetrVG) bleiben unberührt. Der Arbeitgeber darf also die Betriebsöffnungszeit und die Verlängerung von Schichten nur nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats anordnen.