Folgen einer „bloß“ objektiven Fehlinformation bei Betriebsratsanhörung

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 16.7.2015, 2 AZR 15/15, festgehalten, dass eine zwar vermeidbare, aber unbewusst und damit gutgläubig erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht unwirksam macht.

03.05.2016 | Arbeitsrecht

Sachverhalt


In dem vom BAG zu entscheidenden Fall hatte der beklagte Arbeitgeber den Kläger aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt. Der Beklagte hat im Rahmen der der Kündigung vorausgehenden Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG unter anderem mitgeteilt, die Werksärztin, bei der sich der Kläger vorgestellt hatte, habe ihm die Konsultation eines Spezialisten und eine Schmerztherapie gegen die Kopfschmerzen empfohlen. Der Kläger habe die Schmerztherapie begonnen, aber nach kurzer Zeit abgebrochen. Diese Informationen stellten sich im Nachhinein als falsch heraus.

Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht in der Berufungsinstanz der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Betriebsratsanhörung wegen der falschen Informationen unwirksam sei. Das BAG hat die Entscheidung aufgehoben und an das LAG zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen, da die bisherigen Feststellungen die Unwirksamkeitsbegründung des LAG nicht tragen.

Entscheidungsgründe


Das BAG hielt zunächst fest, dass für die Beurteilung der geltend gemachten Kündigungsgründe die Angabe, der Kläger habe die begonnene Schmerztherapie bereits nach kurzer Zeit abgebrochen, von entscheidender Bedeutung war. Sofern sie nicht der Wahrheit entsprach, so war sie dennoch objektiv geeignet, den Betriebsrat von einer sachgerechten Stellungnahme zur Kündigung abzuhalten. Allerdings hält das BAG die Anhörung des Betriebsrats nur dann für unrichtig, wenn dem Gremium die Information bewusst falsch oder irreführend mitgeteilt wurde. Hierzu hatte das LAG jedoch bisher keine Feststellungen getroffen.

Nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören und es sind ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Sinn und Zweck der Anhörung ist, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d. h. ggf. zu Gunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Dem steht es gleich, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat für dessen Beurteilung bedeutsame, zu Ungunsten des Arbeitnehmers sprechende, objektiv unzutreffende Tatsachen mitteilt, von denen er selbst für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen.

Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst und damit gutgläubig erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation stellt dagegen für sich genommen keinen Verstoß gegen § 102 BetrVG dar. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber bei größerer Sorgfalt die richtige Sachlage hätte kennen können, sondern maßgeblich ist, ob er subjektiv gutgläubig ist und ob trotz subjektiver falscher Unterrichtung dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung genüge getan ist. Dies ist nach Ansicht des BAG bei einer unbewussten Falschinformation dann der Fall, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat damit auf derselben Tatsachenbasis wie dieser auf dessen Kündigungsabsicht einwirken kann. Nicht gutgläubig ist der Arbeitgeber, wenn er zu Ungunsten des Arbeitnehmers sprechende, objektiv unzutreffende Tatsachen mitgeteilt, vor denen er selbst durchaus für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Der Arbeitgeber trägt im Falle einer Fehlinformation die Beweislast für seine Gutgläubigkeit. Das BAG hat demgemäß an das LAG zur weiteren Feststellung im Hinblick auf die Gutgläubigkeit des Beklagten zurückverwiesen.

Fazit


Der Arbeitgeber ist immer in der Pflicht, seine an den Betriebsrat mitgeteilten Informationen sorgfältig vorab zu prüfen, insbesondere wenn sie von Dritten stammen. Allerdings führt nicht jede bloß objektive Fehlinformation schon zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung.