Die in § 622 BGB geregelten gesetzlichen Kündigungsfristen können durch einzelvertragliche Vereinbarung verlängert werden. Den Arbeitsvertragsparteien verbleibt dabei sogar grundsätzlich ein relativ großer Spielraum. Die Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen ist jedoch nicht unbeschränkt zulässig.
Das Bundesarbeitsgericht („BAG“) musste sich in seiner Entscheidung vom 26.10.2017 (Az.: 6 AZR 158/16) mit der Wirksamkeit einer Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende auseinandersetzen.
Der Sachverhalt der Entscheidung des BAG
Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann beschäftigt. Im Juni 2012 haben die Arbeitsvertragsparteien eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag abgeschlossen, in der unter anderem eine Gehaltserhöhung für den Arbeitnehmer vereinbart wurde. Das Entgelt des Arbeitnehmers sollte dabei bis zum 30.05.2015 nicht weiter erhöht werden. Zudem enthielt die Zusatzvereinbarung eine Regelung, nach der sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängerte. Ende des Jahres 2014 stellte eine Kollege des Arbeitnehmers fest, dass die Arbeitgeberin bereits Anfang 2014 auf allen dienstlichen Computern ein Programm („PC Agent“) installiert hatte, das dazu geeignet war, das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Programm dokumentierte den Arbeitsverlauf. Der Arbeitnehmer kündigte daraufhin mit Schreiben vom 27.12.2014 sein Arbeitsverhältnis zum 31.01.2015. Die Arbeitgeberin beantragte die gerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer über den 31.01.2015 hinaus fortbesteht. Das BAG hat diese Klage – wie zuvor schon das Landesarbeitsgericht („LAG“) – abgewiesen.
Die Entscheidungsbegründung des BAG
Das BAG entschied, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Arbeitnehmers unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.01.2015 endete. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und sei daher nach AGB-rechtlichen Grundsätzen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) unwirksam.
Das BAG stellte klar, dass es sich bei der Verlängerung der Kündigungsfrist um eine Allgemeine Geschäftsbedingung („AGB“) handelt. Das AGB-Recht kommt im Arbeitsverhältnis regelmäßig auch dann zur Anwendung, wenn eine vorformulierte Vertragsbedingung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist und der Arbeitnehmer – wie vorliegend – auf ihre Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte. Alleine der Umstand, dass der Arbeitnehmer die Zusatzvereinbarung ohne Diskussion und ohne den Versuch, die Kündigungsfrist zu verkürzen, unterzeichnet hatte, führe nicht dazu, dass er die Regelung freiwillig akzeptiert habe.
Zwar eröffne der Gesetzgeber den Arbeitsvertragsparteien durch § 622 Abs. 5 S. 3 und Abs. 6 BGB die Möglichkeit, für beide Parteien geltende längere Kündigungsfristen zu vereinbaren. Aus § 15 Abs. 4 TzBfG wird deutlich, dass sogar eine vertragliche Bindung von bis zu fünfeinhalb Jahren zulässig sein kann. Die vorliegende Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist benachteiligt den Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG im konkreten Einzelfall jedoch unangemessen und ist daher unwirksam. Das BAG stellte dabei folgenden Grundsatz auf: Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die zwar die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, jedoch wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen, ist stets nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 GG zu prüfen, ob die verlängerte Kündigungsfrist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Sowohl das LAG als auch das BAG waren im vorliegenden Fall der Auffassung, dass eine unausgewogene Gestaltung vorliegt, obwohl die Kündigungsfrist für beide Parteien galt. Der Nachteil für den Arbeitnehmer wurde weder durch die mit der langen Kündigungsfrist einhergehende Arbeitsplatzgarantie noch durch die Gehaltserhöhung aufgewogen. Vielmehr wurden die berufliche Bewegungsfreiheit und das Recht des Arbeitnehmers auf freie Arbeitsplatzwahl deutlich eingeschränkt. Dieser sich für den Arbeitnehmer ergebende Nachteil wurde im vorliegenden Fall nicht angemessen ausgeglichen. Insbesondere konnte alleine die Gehaltserhöhung die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nicht kompensieren, da die Vergütung des Arbeitnehmers durch die Zusatzvereinbarung für die Dauer von fast drei Jahren „eingefroren“ wurde.
Fazit
Kündigungsfristen dienen vorrangig dem Zweck, dem Arbeitnehmer einen gewissen zeitlichen Spielraum einzuräumen, damit er sich einen neuen Arbeitsplatz suchen kann. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber stellt sich daher eine lange Kündigungsfrist meist als vorteilhaft für den Arbeitnehmer dar. Anders verhält sich dies jedoch bei Eigenkündigungen des Arbeitnehmers. Lange Kündigungsfristen erweisen sich dann oftmals als hinderlich bei der Suche nach einer nahtlosen Anschlussbeschäftigung. Weiter kommt es in der Praxis häufig vor, dass Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von ihrem bisherigen Arbeitgeber freigestellt werden, sodass für den Arbeitnehmer längere Phasen der „beruflichen Untätigkeit“ entstehen können. Die vorliegende Entscheidung des BAG zeigt, dass Arbeitgeber bei der Gestaltung von vertraglichen Kündigungsfristen, die deutlich über die gesetzlichen Kündigungsfristen hinausgehen, prüfen müssen, ob die geplante Kündigungsfrist den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Hierbei müssen Arbeitgeber sorgfältig abwägen, ob die verlängerte Kündigungsfrist die jeweiligen Vor- und Nachteile für beide Parteien angemessen berücksichtigt und eine insoweit eine ausgewogene Gestaltung vorliegt.