Kopftuchverbot am Arbeitsplatz möglich

Nach aktuellen Entscheidungen des EuGH vom 14.03.2017 ist eine unternehmensinterne Regel, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen, die ein islamisches Kopftuch tragen. Gibt es keine solche allgemeine Regel, kann das Kopftuchverbot des Arbeitgebers auf Wunsch eines Kunden, eine Diskriminierung wegen der Religion darstellen.

27.04.2017 | Arbeitsrecht

Das Streitthema „Kopftuchverbot am Arbeitsplatz“ ist beim EuGH zur Entscheidung angekommen. Der EuGH hatte sich im Rahmen zweier Vorlagefragen über die Auslegung der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2007/08/EG) zu befassen. Ausgangspunkt in beiden Verfahren war auf nationaler Ebene jeweils die Entlassung einer Mitarbeiterin, die ein islamisches Kopftuch bei der Arbeit tragen wollte, was ihr aber vom Arbeitgeber untersagt worden war.

Kopftuchverbot bei allgemein geltendem Neutralitätsgebot im Unternehmen zulässig

In der Rechtssache C-157/15 wollte eine als Rezeptionist tätige Mitarbeiterin ihr islamisches Kopftuch am Arbeitsplatz tragen. Beim Arbeitgeber galt aber ein allgemeines Verbot, dass das Tragens sichtbarer Zeichen politischer und philosophischer oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz und/oder das zum Ausdruck bringen jeglichen daraus ergebenden Ritus untersagte.

Das mit dem Fall befasste belgische Gericht fragte beim EuGH an, ob das Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, das sich aus einer allgemeinen internen Neutralitätsregel eines privaten Unternehmens ergibt, eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinie darstellt. Dies hat der EuGH verneint, da die interne Regelung unterschiedslos für jede Bekundung solcher Überzeugungen gilt und damit alle Arbeitnehmer gleich behandelt, indem ihnen allgemein und undifferenziert u. a. vorschrieben wird, sich neutral zu kleiden. Eine unmittelbare auf die Religion oder Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung im Sinne der Richtlinie ist damit nicht verbunden.

Offen gelassen bzw. der Prüfung des nationalen Gerichts an heim gestellt, hat der EuGH, ob im Einzelfall eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn sich herausstellen sollte, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden. Eine solche mittelbare Diskriminierung könnte dann durch ein rechtmäßiges Ziel wie einer strikten Neutralitätspolitik des Unternehmens sachlich gerechtfertigt werden, wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Erforderlich ist ein solches Verbot nach Hinweis des EuGH z. B., wenn es nur Mitarbeiter mit Kundenkontakt betrifft.

Kopftuchverbot ohne allgemeines Neutralitätsgebot nur auf Kundenwunsch hin unzulässig

In der zweiten Rechtssache (C-188/15) trug eine Softwaredesignerin das islamische Kopftuch am Arbeitsplatz. Auf Wunsch eines Kunden untersagte der Arbeitgeber ihr dies und entließ sie, nachdem sie dem Verbot nicht nachkam.

Hier wollte das befasste französische Gericht wissen, ob das Kopftuchverbot auf Wunsch eines Kunden als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinie angesehen und somit eine von der Richtlinie verbotene Ungleichbehandlung rechtfertigen kann. So keine allgemeine Neutralitätsregelung im Unternehmen gegeben ist, hat der EuGH für das Kopftuchverbot eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bejaht. Der EuGH hat den Willen des Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, seine Leitungen nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne der Richtlinie angesehen. Die Anforderung bestimmt sich nach objektiven (Art der Tätigkeit, Bedingungen ihrer Ausübung), nicht aber subjektiven Kriterien, wie dem Willen des Arbeitgebers, Kundenwünschen zu entsprechen. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung lag daher nicht vor.

Quelle: PM EuGH Nr. 30/17 vom 14.03.2017