Herkömmliche variable Vergütungsmodelle
Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen variablen Gehaltsbestandteilt, so fällt die Wahl meist auf eines der herkömmlichen Vergütungsmodelle, namentlich die Zielvereinbarung oder die einseitige Zielvorgabe. Bei einer Zielvereinbarung wird im Arbeitsvertrag regelmäßig festgelegt, dass der Arbeitnehmer eine variable Vergütung einer bestimmten Größenordnung erreichen kann. Die genauen Vorgaben hierfür richten sich dann nach einer für jedes Kalenderjahr gesondert abzuschließenden Zielvereinbarung. Ähnlich funktioniert auch die Zielvorgabe, jedoch mit dem Unterschied, dass der Arbeitgeber die zu erreichenden Ziele für jedes Kalenderjahr einseitig neu festlegt.
Die Ziele müssen nach der Rechtsprechung des BAG jeweils zu Beginn des Kalenderjahres vorliegen und zudem hinreichend bestimmt sein, damit der Arbeitnehmer sich auf die Ziele einstellen kann und genau weiß, was von ihm verlangt wird. In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass Ziele entweder nicht vereinbart oder diese nicht hinreichend schriftlich fixiert werden. Letzteres führt dazu, dass der Arbeitgeber die Vereinbarung im Falle eines Kündigungsschutzprozesses nicht nachweisen kann. Dies kommt den Arbeitgeber unter Umständen teuer zu stehen, da nach der Rechtsprechung des BAG bei mangelnder Zielfestlegung davon auszugehen ist, dass dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zusteht, und zwar in Höhe von 100% der nach dem Arbeitsvertrag potentiell zu erreichenden variablen Vergütung. Höchstrichterlich ist dies bisher zwar nur für den Fall einer unterlassenen Zielvereinbarung entschieden, es gibt jedoch Instanzgerichte, die diese Rechtsprechung auch auf den Fall einer unterlassenen Zielvorgabe anwenden.
Die Vereinbarung eines Ermessensbonus als Alternative
Im Unterschied zu herkömmlichen variablen Vergütungsmodellen legt der Arbeitgeber beim Ermessensbonus gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen im Nachhinein für einen bestimmten Zeitraum (i.d.R. das Kalenderjahr) die Höhe der variablen Vergütung fest. In der Rechtsprechung ist bisher nicht eindeutig geklärt, ob im Falle der Vereinbarung eines Ermessensbonus vorab auch Kriterien für die Bemessung der variablen Vergütung, d.h. Kriterien für die Bemessung des Unternehmenserfolgs, des persönlichen Erfolgs und sonstiger Faktoren, festgelegt werden müssen. Da eine solche Vereinbarung jedoch regelmäßig einer AGB-Prüfung standhalten und diese folglich dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB entsprechen muss, empfiehlt sich regelmäßig die Festlegung abstrakter Bewertungskriterien im Vorhinein.
Was sind nun aber die konkreten Vorteile gegenüber herkömmlichen Vergütungsmodellen? Zunächst einmal bietet die Vereinbarung dem Arbeitgeber ein hohes Maß an Flexibilität, da die Höhe der potentiell zu erreichenden variablen Vergütung nicht im Vorhinein festgelegt werden muss. Weiterhin steht es dem Arbeitgeber frei, die verschiedenen Bemessungskriterien im Rahmen seines billigen Ermessens unterschiedlich zu gewichten. Das bringt bspw. den Vorteil mit sich, dass der Arbeitgeber auch bei voller Erreichung der persönlichen Ziele den Unternehmenszielen retrospektiv ein höheres Gewicht zumessen und somit auf eine Änderung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens angemessen reagieren kann.
Überdies gilt die Rechtsprechung des BAG, nach welcher bei Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts der widerrufliche Teil der Vergütung nicht mehr als 25% der Gesamtvergütung ausmachen darf, nicht für den Ermessensbonus. Umfangreiche Rechtsprechung ist hierzu bisher zwar noch nicht vorhanden, die Nichtübertragbarkeit der Rechtsprechung auf den Fall des Ermessensbonus dürfte sich aber schon daraus ergeben, dass ein Vergütungsbestandteil in diesem Fall nicht nachträglich widerrufen, sondern vielmehr lediglich eine potentielle Verdienstmöglichkeit in Aussicht gestellt wird. Dementsprechend hat das BAG in der Vergangenheit bereits die Kürzung eines als Ermessensbonus zu zahlenden variablen Vergütungsbestandteils, welcher ca. 50% der Gesamtvergütung ausmachte, als zulässig erachtet. Zu beachten ist hier jedoch, dass die Grundvergütung des Arbeitnehmers im genannten Fall bereits überdurchschnittlich hoch war und eine derartige Kürzung bei einem durchschnittlichen Gehalt aller Voraussicht nach anders beurteilt worden wäre. Überdies bietet der Ermessensbonus dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit, den Bonus nach billigem Ermessen auf „Null“ festzulegen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BAG jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig und wurde bspw. im Falle des bereits angesprochenen, weit überdurchschnittlich verdienenden Arbeitnehmers für zulässig erachtet, welcher im Jahr 2008 bei einer von der damaligen Wirtschaftskrise schwer getroffenen Bank angestellt war.
Zuletzt verfügt der Arbeitgeber im Falle eines gerichtlichen Prozesses bei einem Ermessensbonus auch über eine vergleichsweise starke Verhandlungsposition. Ist der Arbeitnehmer mit der Festsetzung des Bonus durch den Arbeitgeber nicht zufrieden, so überprüft das Gericht lediglich, ob die Entscheidung des Arbeitgebers billigem Ermessen entsprach, d.h. ob die konkrete Festsetzung als eine von mehreren möglichen Festsetzungsmöglichkeiten zulässig war. Sofern der Arbeitgeber seine Entscheidung also hinreichend und nachvollziehbar begründen kann, wird das Gericht diese in der Regel akzeptieren, da nicht die „einzig richtige“, sondern eben nur eine „billigem Ermessen“ entsprechende Festsetzung gefordert ist.
Neben all den Vorteilen, die die Vereinbarung eines Ermessensbonus mit sich bringt, sind jedoch auch dessen Nachteile zu beleuchten. Insbesondere dann, wenn der Ermessensbonus für den Arbeitgeber weitestgehend flexibel ausgestaltet wird und dementsprechend die Höhe eines minimal oder maximal zu erreichenden Bonus im Vorhinein nicht festgelegt wird, geht dadurch die Anreizfunktion für den Arbeitnehmer weitgehend verloren.
Fazit
Die Vereinbarung eines Ermessensbonus kann eine echte Alternative zu herkömmlichen Vergütungsmodellen sein, wenn dem Arbeitgeber insbesondere an der Aufrechterhaltung seiner Flexibilität gelegen ist und die Anreizfunktion der variablen Vergütung für diesen nicht an erster Stelle steht. Die klaren Vorteile, die die Vereinbarung eines Ermessensbonus für den Fall gerichtlicher Auseinandersetzungen mit sich bringt, dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der Ermessensbonus zur Vermeidung rechtlicher Risiken in der Praxis sorgsam umgesetzt und insbesondere die Grenzen der billigen Ermessensausübung beachtet werden müssen. Für Arbeitgeber, die sich für einen Ermessensbonus entscheiden, ist daher die Formulierung einer entsprechenden rechtssicheren arbeitsvertraglichen Vereinbarung unabdingbar.