Neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel auch im Homeoffice

Claudia Knuth

Merle Techritz

Auch wenn das Homeoffice sich weiter etabliert und zur Kontaktbeschränkung angezeigt ist, ist der Arbeitsschutz nicht zu vergessen und bestehende Standards durch die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel anzupassen.

25.08.2020 | Arbeitsrecht

Mit Blick auf den aktuellen Aufschwung des Homeoffice und die hohen Bußgelder, welche bei einer Missachtung der zwingenden Schutzstandards drohen können, ist aus arbeitsrechtlicher Sicht eine Überprüfung der Compliance im Arbeitsschutz zu empfehlen. Aktuell gilt das Augenmerk dabei insbesondere den besonderen Regelungen nach der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel, welche im August 2020 in Kraft getreten ist.

Neue Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel

Bereits mitten in der Pandemie hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Vereinheitlichung des Infektionsschutzes in Unternehmen einen Sars‑CoV‑2‑Arbeitsschutzstandard veröffentlicht. Ab August 2020 gelten nunmehr die branchenspezifisch erweiterten verbindlichen Vorgaben der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel, welche Betrieben und betriebsinternen Sicherheitsfachkräften konkrete Richtlinien an die Hand geben sollen. Bei Einhaltung der dortigen Maßgaben sollen Arbeitgeber davon ausgehen können, rechtssicher zu agieren. Gleichzeitig werden damit den Behörden einheitliche Vorgaben für Betriebsprüfungen zur Verfügung gestellt.

Die Konkretisierungen betreffen unter anderem organisatorische und technische Aspekte zur Umsetzung des Infektionsschutzes wie Lüftungen und Abtrennungen sowie Maßnahmen zur Einhaltung der Abstandsregeln. Weiterhin sieht die Regel vor, dass Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Pandemie bestehende Gefährdungsbeurteilungen und die danach festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf etwaige Anpassungsbedarfe nach Maßgabe des Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel überprüfen sollen. Dabei sind unter anderem auch die Integration der im Homeoffice befindlichen Beschäftigten in betriebliche Abläufe sowie aufgrund der pandemischen Lage bestehende zusätzliche psychische Belastungsfaktoren zu berücksichtigen.

In der Arbeit im Homeoffice bietet nach der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel eine Möglichkeit, die Zahl der gleichzeitig im Betrieb anwesenden Beschäftigten zu reduzieren und die Einhaltung von Abstandsregeln zu unterstützen. Dies gilt insbesondere, wenn Büroräume ansonsten von mehreren Beschäftigten bei Nichteinhaltung der Abstandsregel genutzt werden müssten.

Für die grundlegenden, technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen des betrieblichen Arbeitsschutzes sind insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Gestaltung der Arbeitsumgebung, zum Beispiel Anordnung der Arbeitsplätze zur Sicherstellung des Abstands, ausreichende Lüftung, Vorrichtungen wie Abtrennungen, Absperrungen und gegebenenfalls Festlegung innerbetrieblicher Verkehrswege,
  2. Kontaktreduzierung durch zum Beispiel digitale Kommunikation, Bildung und Beibehaltung von Arbeitsgruppen, Arbeitszeitgestaltung, Homeoffice,
  3. Hygiene und Reinigung, zum Beispiel Hände regelmäßig und gründlich waschen; wenn dies nicht möglich ist, Bereitstellung von geeigneten und rückfettenden Handdesinfektionsmitteln, Anpassung von Reinigungsintervallen,
  4. Allgemeine Verhaltensregeln, zum Beispiel Wahrung von Abstand; Verzicht auf Begrüßungsformen mit direktem Körperkontakt; Husten und Niesen in die Armbeuge oder in ein Papiertaschentuch; zu Hause bleiben bei Krankheitssymptomen.

Nach der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel kommt den Führungskräften hierbei eine besondere Rolle zu:

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind die Gestaltung der Arbeitsaufgaben, der Arbeitszeit und die Integration der in Homeoffice befindlichen Beschäftigten in betriebliche Abläufe sowie die aufgrund der epidemischen Lage zusätzlich zu betrachtenden psychischen Belastungsfaktoren zu berücksichtigen.

Gefährdungsbeurteilung im Homeoffice

Auch wenn Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, hat der Arbeitgeber die Einhaltung eines Mindeststandards im Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten. Das Homeoffice muss sich dabei grundsätzlich mit den gleichen Arbeitsschutzstandards wie beim klassischen Büroarbeitsplatz messen lassen. Wird der Arbeitsplatz vom Arbeitgeber eingerichtet, sind auch die umfassenden Regelungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) zu beachten. Auch wenn teilweise die Eigenarten des Homeoffice berücksichtigt werden können (etwa bezüglich der Aufklärung über Fluchtwege), bleibt der Arbeitgeber verantwortlich.

Im Vordergrund stehen dabei die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Unterweisung der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG. Die Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bringt für Arbeitgeber bereits im ersten Schritt eine große Herausforderung mit sich. Streng genommen müsste er jedem Mitarbeiter im Homeoffice besuchen und den Arbeitsplatz sowie die Räumlichkeiten in Augenschein nehmen. Neben der augenscheinlich fehlenden Praktikabilität benötigt der Arbeitgeber auch die Zustimmung des Mitarbeiters diesen zuhause besuchen zu dürfen.

In der Praxis wird daher die tatsächliche Inaugenscheinnahme durch einen detaillierten Fragebogen ersetzt. Hier wird der Arbeitnehmer umfassend zu den Räumlichkeiten, der Beleuchtung, den Arbeitstisch und den Arbeitsstuhl befragt. Auch die Beschaffenheit des Monitors, der Tastatur und der Maus sollten abgefragt werden, wenn diese nicht vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Auch Einzelheiten zur Gewährleistung des Daten- und Geheimnisschutzes sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzustellen.

Unterweisung der Mitarbeiter im Homeoffice

Daneben hat der Arbeitgeber die Mitarbeiter nach dem Arbeitsschutzgesetz mit konkretem Bezug auf den individuellen Arbeitsplatz und den Aufgabenbereich angemessen zu unterweisen. Hier kommen zum Beispiel Hinweise zu Bildschirmarbeit und Beleuchtung sowie Maßgaben zur Ergonomie eines Arbeitsplatzes in Betracht. Vor dem Hintergrund möglicher behördlicher Überprüfungen empfiehlt es sich für Arbeitgeber, die Umsetzung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten sorgfältig zu dokumentieren.

Nach den neuen Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregeln sind Mitarbeiter im Hinblick auf einzuhaltende Arbeitszeiten, Arbeitspausen, darüber notwendige Dokumentation, die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und die Nutzung der Arbeitsmittel, zum Beispiel korrekte Bildschirmposition, möglichst separate Tastatur und Maus, richtige und wechselnde Sitzhaltung und Bewegungspausen zu unterweisen.

Überprüfung des Anpassungsbedarfs nach der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel

Bereits unter normalen Umständen bringt die Überprüfung und Sicherstellung einer arbeitsschutzrechtlichen Compliance im Unternehmen einigen Handlungsbedarf mit sich, welcher mit Blick auf die gesetzlichen Bußgeldandrohungen im Blick behalten werden sollte. Aufgrund der neuerlichen Konkretisierungen des BMAS aufgrund der Corona-Pandemie sollten nunmehr jedoch auch Arbeitgeber, welche bislang den Arbeitsschutz in ihrem Unternehmen pflichtgemäß beachtet haben, eine Überprüfung des Anpassungsbedarfs nach der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel vornehmen. Mit Blick auf das in diesem Jahr weitläufig etablierte und von der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel auch weiterhin als Maßnahme der Kontaktbeschränkung aufgezeigte Instrument des Homeoffice sollten Arbeitgeber nicht versäumen, die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung des individuellen Arbeitsplatzes in angemessenem Maße umzusetzen.