Stolperfalle auftraggeberseitige Formvorgaben

Lorenz Käppeler

Seitenzahlbegrenzung, Schriftgröße, Zeilenabstand usw. - Auftraggeberseitige Formvorgaben sind nach einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer Südbayern nur unter strengen Anforderungen zulässig.

20.03.2025 | Vergaberecht

Öffentliche Auftraggeber setzen häufig auf Formvorgaben, um die Angebotskonzepte der Bieter zu vereinheitlichen – sei es durch Vorgaben zur maximalen Seitenzahl, zum Zeilenabstand oder zur Schriftart und -größe. Doch wie umfassend und eindeutig müssen diese Anforderungen formuliert sein? Mit dieser Frage hat sich die Vergabekammer Südbayern in ihrem Beschluss vom 06.08.2024 (Az. 3194.Z3-3 01-24-26) befasst. Die Entscheidung bringt wichtige Erkenntnisse für die Praxis:

Dokumentation 

Wer als öffentlicher Auftraggeber Formvorgaben vorgibt, muss sich im Rahmen der Angebotswertung mit deren Einhaltung, bei Erkennen eines Formverstoßes mit den Rechtsfolgen auseinandersetzen. Beides ist vom Auftraggeber zu dokumentieren.

Transparenz und Klarheit der Vorgaben

Damit Bieter die Vorgaben einheitlich umsetzen, müssen diese so klar, präzise und eindeutig formuliert sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung erfassen und sie in gleicher Weise, ggf. nach Auslegung, verstehen können. Besteht Spielraum für unterschiedliche Auslegungen, sind die Vorgaben mehrdeutig und verstoßen gegen § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB. Folgende Punkte sind konkret zu beachten:

Trifft der Auftraggeber eine Vorgabe zur Schriftgröße der Konzepte, hat diese immer mit einer zugehörigen Einheit zu erfolgen. Hier kann in der Regel die Einheit Punkte (Pt.) genutzt werden. Möchte der Auftraggeber einen Zeilenabstand vorgeben, muss er über die Angabe des wertmäßigen Abstands hinaus auch das Dateiformat angeben, in dem der Abstand gemessen wird. Denn nach eigener Prüfung der Vergabekammer unterscheiden sich insbesondere wertmäßig identische Zeilenabstände in Word- und PDF-Dokumenten.

Notwendig ist gemäß den Ausführungen der Vergabekammer immer eine Regelung zur Nutzung von Abbildungen. Gemeint sind jegliche Formen von Abbildungen wie u. a. Grafiken, Diagramme oder in den Text eingebettete Dokumente. Eine klare und gleichzeitig umfassende Formulierung erscheint angesichts der Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten für Abbildungen schwierig.

Zuletzt ist eine transparente Regelung zum Umgang mit Verstößen gegen die aufgestellten Formvorgaben notwendig. 

Rechtliche Folgen unklarer Formvorgaben

Die Vergabekammer stellt klar, dass zwar das Fehlen einer Vorgabe zur Schrifteinheit und einer eindeutigen Angabe des Zeilenabstands für sich betrachtet noch nicht zur Zurückversetzung des Verfahrens führen würde. Im entschiedenen Fall fehlten jedoch sowohl eine Regelung zur Nutzung von Abbildungen als auch eine Sanktionsregelung für Formverstöße. Daher ist das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor der Bekanntgabe zurückzuversetzen und erneut durchzuführen.

Ausblick

Auftraggeber sind aufgrund der drohenden Rechtsfolgen intransparenter Regelungen aktuell gut beraten, ihre Formvorgaben entsprechend den Vorgaben der Vergabekammer zu überprüfen oder im Zweifel auf solche Regelungen gänzlich zu verzichten. Es bleibt abzuwarten, ob die strengen Maßstäbe an Formvorgaben von anderen Spruchkörpern übernommen werden.