Fordert ein Auftraggeber Unterlagen nach, muss der Bieter sie vollständig nachreichen – sonst folgt die Rote Karte!

Dr. Jan Bernd Seeger

Hat der Auftraggeber nachgeforderte Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet, darf er den Bieter kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern. Dies hat die VK Bund vor Kurzem entschieden.

08.08.2022 | Vergaberecht

Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss vom 11. März 2022, VK 1-23/22, erstmals zur Frage entschieden, ob Bieter innerhalb der Nachforderungsfrist ein weiteres Mal Unterlagen nachreichen dürfen, wenn die zunächst nachgereichten Unterlagen die gesetzten Anforderungen nicht erfüllen.

Der Entscheidung lag die Vergabe von Stuck- und Putzarbeiten zu Grunde. Der Auftraggeber stellte dabei Mindestanforderungen an die Eignung der Bieter in Gestalt nachzuweisender Referenzleistungen. Nachdem der Antragsteller mit dem Angebot überhaupt keine Referenzen eingereicht hatte, forderte der Auftraggeber ihn innerhalb angemessener Frist zur Nachreichung der Referenzen auf. Einige Tage vor Ablauf der Frist reichte der Bieter Referenzprojekte nach, die allerdings nicht die Mindestanforderungen erfüllten. Hierauf wies der Auftraggeber den Bieter hin, worauf dieser weitere – nun die Mindestanforderungen erfüllende – Referenzen nachreichte. Der Auftraggeber schloss den Bieter mit dem Argument vom Verfahren aus, er dürfe die zuletzt nachgereichten Referenzen nicht berücksichtigen.

Im Rahmen des Nachprüfungsverfahren gab die Vergabekammer dem Auftraggeber recht. Aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung der anderen am Verfahren beteiligten Bieter ist die Nachforderung von Referenzen und Unterlagen nur zulässig, wenn diese in formeller Hinsicht nicht den ausgeschriebenen Anforderungen entsprechen. Passen die Unterlagen nicht in inhaltlicher Hinsicht, ist eine Nachforderung unzulässig. Außerdem darf ein Auftraggeber den Bieter kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern, wenn er nachgeforderte Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet hat. Übermittelt der Bieter dennoch unaufgefordert erneut, dann passende Unterlagen, muss der Auftraggeber diese außer Acht lassen. In diesem Zusammenhang hat die Vergabekammer entschieden, dass ein Bieter nur dann von sich aus fehlende Unterlagen nachreichen darf, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen. Nur in diesem Fall kommt der Bieter der zulässigen Aufforderung des Auftraggebers durch sein Verhalten lediglich zuvor.

Insbesondere wenn nachgeforderte Unterlagen, wie in der Praxis immer wieder zu beobachten, aus verschiedensten Gründen nicht vollständig nachgereicht werden, wird die Entscheidung unmittelbare Auswirkungen zeigen. Bieter sind daher gut beraten, nachzureichende Unterlagen vor Absendung sorgfältig zu prüfen und Fristen ggf. vollständig auszunutzen. Auftraggeber sollten zudem auf die Konsequenzen unzureichender Unterlagen hinweisen.