Abstraktes Punkte- oder Schulnotensystem als Bewertungsmaßstab unzulässig!

Christoph Richter

Das OLG Düsseldorf hat in zwei vor kurzem veröffentlichten Entscheidungen (Beschluss vom 16.12.2015, Az.: VII-Verg 25/15; Beschluss vom 21. Oktober 2015, Az.: VII-Verg 28/14) seine Rechtsprechung zur Bestimmtheit und Transparenz von Bewertungsmaßstäben geändert.

02.03.2016 | Vergaberecht

Sachverhalt


Nach dem bekannt gegebenen Bewertungsmaßstab konnten bei den Wertungskriterien jeweils null bis drei Punkte erzielt werden. Der Bewertungsmaßstab wurde in den Vergabeunterlagen wie folgt erläutert:

  • Null Punkte, wenn es (das Angebot) nicht den sich aus den Ausschreibungsbedingungen ergebenden Anforderungen genügt,
  • ein Punkt, wenn es mit Einschränkungen den sich aus dem Ausschreibungsgegenstand ergebenden Anforderungen genügt,
  • zwei Punkte, wenn es vollumfänglich den sich aus dem Ausschreibungsgegenstand ergebenden Anforderungen genügt,
  • drei Punkte, wenn es den sich aus dem Ausschreibungsgegenstand ergebenden Anforderungen besonders dienlich ist.

Das Angebot eines Bieters war letztendlich ausgeschlossen worden, weil bei einem Kriterium (Logistikkonzept) nach der Wertung des Auftraggebers die vorgegebene Mindestpunktzahl verfehlt worden sei (ein Punkt, statt geforderter zwei Punkte).

Die Entscheidung


Der vorstehende Bewertungsmaßstab ist vergaberechtlich unzulässig!

Nach der Auffassung des OLG Düsseldorf ist der Bewertungsmaßstab intransparent, da die Voraussetzungen für das Erreichen einer bestimmten Punktzahl lediglich abstrakt beschrieben werden, ohne dass die Bieter vorab anhand zuverlässiger und kalkulierbarer Informationen bestimmen können, welchen „Erfüllungsgrad (Zielerreichungsgrad) die Angebote auf der Grundlage konkreter Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punkten bewertet zu werden.

Dies dürfte nach einem ausdrücklichen Hinweis des Gerichts auch für einen Bewertungsmaßstab gelten, der sich ausschließlich (ohne weitere Differenzierung) an (bisher weithin als zulässig angesehenen) Schulnoten orientiert.

Derartige Bewertungsmaßstäbe lassen nach Ansicht des Gerichts objektiv Raum für Manipulationen und Willkür bei der Bewertung der Angebote. Bieter müssten daher im Vorhinein erkennen können, auf welche konkreten Leistungen die Vergabestelle besonderen und gegebenenfalls unverzichtbaren Wert legt, damit sie ihre Angebote qualitativ optimal daran ausrichten können.

Praxishinweis

Öffentliche Auftraggeber sollten die geänderte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in jedem Fall zum Anlass nehmen, ihre Bewertungsmaßstäbe anzupassen, wenngleich das OLG Düsseldorf weitgehend offengelassen hat, welcher Konkretisierungsgrad ausreichend ist. Für die Bieter muss hinreichend genau erkennbar sein, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Kriterium als nicht, nur mit Einschränkungen oder in vollem Umfang genügend gewertet wird oder andersherum, welche konkreten Angebotsdefizite bei welchen Kriterien zu welchen Punktabzügen führen. Die Vorgabe eines Musterkonzepts und ein bis in alle Details ausdifferenziertes Wertungssystem dürften hingegen nicht erforderlich sein, zumal ein solches System völlig unpraktikabel wäre und die Vergabestelle dann die qualitativ zu bewertenden Konzepte der Bieter antizipieren und detaillierte Musterkonzepte vorgeben müsste. In diesem Fall wäre die Abfrage von Konzepten jedoch sinnlos, da hiermit bei den Bietern vorhandenes Know-How und Innovationspotential ermittelt werden soll. Überdies würden die Bieter die Musterkonzepte höchstwahrscheinlich kopieren, um jeweils die volle Punktzahl zu erreichen.