Verfahren
Im Rahmen eines bulgarischen Gerichtsverfahrens wollte das Gericht wissen, ob die entscheidungserhebliche bulgarische Regelung richtlinienkonform ist. Das bulgarische Recht sieht vor, dass Vergabestellen ihre ausgeschriebenen Produkte stets mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu kennzeichnen haben, und zwar nicht nur, wenn ein Leitfabrikat angegeben ist, sondern auch dann, wenn auf eine technische Norm verwiesen wird.
Inhalt der Entscheidung
Der EuGH bejaht die Vereinbarkeit mit der Vergaberechtsrichtlinie (RL 2014/24/EU), speziell mit dem Art. 42 Abs. 3 der RL. Dort heißt es im Wortlaut: „wobei jede Bezugnahme mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen ist;“. Die Richtlinie versteht darunter alle Bezugnahmen auf „ […] technische Bewertungen, gemeinsame technische Spezifikationen, internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, […] nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauleistungen und den Einsatz von Lieferungen“. In einer mustergültigen Auslegung der europarechtlichen Vorschrift leitete der EuGH her, dass insbesondere der Wettbewerb dafür geöffnet werden soll, dass alle technische Lösungen für die ausgeschriebene Anforderung in Betracht gezogen werden müssen, nicht lediglich die bereits standardisierten.
Der Gerichtshof stützt seine Entscheidung auf die Auslegung der europäischen Regelung. Nach dem Wortlaut der Richtlinie ist der Zusatz „oder gleichwertig“ bei jedem Verweis auf eine solche Normung mit aufzunehmen. Auch der Zweck der Regelung, den Wettbewerb sicherzustellen wird am besten dann erreicht, wenn gleichwertige technische Lösungen immer zugelassen sind, z.B. auch schon bevor ihre Konformität mit der entsprechenden Normung durch Zertifizierung o.ä. festgestellt ist. Art. 42 Abs. 5 RL 2014/24 erlaubt es darüber hinaus, dass Bieter die technische Gleichwertigkeit oder Eignung ihrer angebotenen Lösung nachweisen können, auch wenn auf ein Regelwerk oder ein Leitprodukt Bezug genommen ist und die angebotene Lösung dem nicht entspricht.
Praxisfolgen
Auch in Deutschland entfaltet diese Rechtsprechung wegen § 31 VgV Relevanz: die hierzulande geltende Regelung schreibt in § 31 Abs. 2 Satz 2 VgV vor, dass jede Bezugnahme einer Ausschreibung auf ein festes Regelwerk oder eine Normung mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen sein muss. Wie sich aus § 31 Abs. 6 VgV herauslesen lässt, ist also eine produktneutrale Ausschreibung absolute Pflicht, „es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt“ oder es wird der Zusatz „oder gleichwertig“ mit aufgenommen.